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Thirty Seconds To Mars und „America“: Wenn Bombast, dann richtig!

Das neue Thirty-Seconds-To-Mars-Album wird viele Fans auf die Palme bringen – allerdings wohl aus den falschen Gründen.
Thirty Seconds To Mars America Cover

Weltweit kommerziell erfolgreich, junge Anhängerschaft, ein Publicity-gieriger Frontmann: „America“ ist die logische Konsequenz aus diesen Umständen und die leicht vorhersehbare Anbiederung an den Zeitgeist. Die fünfte Platte von Thirty Seconds To Mars weicht deshalb vom nicht mehr Mainstream-tauglichen Stadionrock ab und widmet sich elektronischem Pomp. Dem Radio gefällt’s, die Fans werden sich auf den sozialen Netzwerken über die Bedeutung vom treuen Fan-Dasein gegenseitig in der Luft zerreißen und am Ende unnachgiebige Jünger und frustrierte Abkehrer übriglassen, die sich beschweren, dass Thirty Seconds To Mars zu poppig geworden seien (was sie de facto aber schon immer waren). Die Wahrheit über „America“ liegt dabei wie fast immer irgendwo in der Mitte.

Denn man muss gestehen: Die neuen Disco-Bombast-Elemente schmeicheln dem Sound des Trios eindeutig mehr als dass sie ihm im Wege stehen. Spätestens seit „This Is War“ hielten Thirty Seconds To Mars nichts mehr von falscher Bescheidenheit und gestalteten ihre Songs nach dem Motto „mehr ist mehr“. Das funktioniert mit Synthies anstatt Gitarren vielleicht sogar noch besser, und so ist „Walk On Water“ mit knallenden E-Drums, großem Backgroundchor und pompösen Streicherteppich der vielleicht muskulöseste Song, den die Band je gemacht hat. Auch „Hail To The Victor“ fühlt sich in der neugewonnen Ästhetik von „America“ unheimlich wohl und inszeniert seinen psychedelischen EDM-Drop mit zwar bekannten, aber immer noch sehr wirkungsvollen Mitteln.

So hätte „America“ eigentlich das Potential, eine leidenschaftliche Hymnen-Sammlung zu werden, vorausgesetzt, man findet am unnachgiebigen Jared-Leto-Pathos grundsätzlich Gefallen. Davon hält das Album aber leider sein viel zu penetrant generisches Songwriting ab, das beim ersten Mal für diese Art von Musik noch gut funktioniert, über die Dauer einer kompletten Platte aber viel zu vorhersehbar und repetitiv ist. Und wenn sich selbst ehemalige Rockbands einer formelhaften EDM-Verklausulierung bedienen (Rise-Drop-Rise-Drop-Bridge-Drop), dann darf man tatsächlich mal die „Das ist viel zu Mainstream!“-Karte auspacken. Keiner erwartet von Thirty Seconds To Mars avantgardistische Song-Strukturen und -Konzepte, „America“ treibt die schreiberische Einfallslosigkeit aber so weit auf die Spitze, dass die Grenze der Untragbarkeit langsam erreicht zu sein scheint. Besonders die nicht enden wollenden „Ohhh-Ohhh“-Chöre, die quasi jedem Track seine uninspirierte Mitsing-Grundlage geben, werfen die eigentlich recht bunte Farbpalette der Platte in Nonsens-Kanons. So bleibt das fünfte Thirty-Seconds-To-Mars-Album eines, das eine funktionierende ästhetische Version verfolgt, die aber an ihrer zu banalen Umsetzung als Gesamtkunstwerk scheitert. Bombast ist demzufolge der richtige Weg für diese Band, die subtilen Feinheiten dahinter muss das Trio aber noch verstehen lernen.

Fazit

4.9
Wertung

Thirty Seconds To Mars machen sich mit ihrem fast schon peinlichen Songwriting viele Grundlagen kaputt, denn eigentlich würde die angestrebte Klangästhetik von "America" Potential für ein gigantisches Spektakel bieten. So bleibt die Platte hinter ihren Möglichkeiten zurück und ist manchmal hart an der Grenze des Nerv-Faktors. Das kann man hassen, müsste man aber eigentlich nicht.

Jakob Uhlig
3.1
Wertung

Immer schön, wenn die Hörerwartungen erfüllt werden. Ich habe mit seelenlosem, maßlos überproduzierten Pop gerechnet und genau das bekommen. Fast noch schlimmer ist allerdings die Tatsache, dass Thirty Seconds To Mars noch nicht einmal in diesem Ansatz zeitgemäß klingen - abgesehen von einigen netten Ideen macht mittlerweile jeder x-beliebige Westcoast-Rapper bessere Trap-Beats und den Pomp eines David Guetta hätte sich Oscar-Preisträger Leto auch lieber sparen sollen. Linkin Park, Coldplay und die Chainsmokers lassen grüßen. Konzentrier dich bitte lieber auf deine Filme, Jared. 

Julius Krämer