Reviews

Swain - The Long Dark Blue

Es gibt Platten, bei denen schon der Anblick des Covers reicht, um zu wissen, dass dieses Ding einfach genial wird. So auch bei „The Long Dark Blue“, dem neuesten Werk des holländischen Alternative-Punk-Trios Swain. Statt nämlich einen sündhaft teuren Coverdesigner zu engagieren, haben sich die drei kurzerhand ihren besten Freund geschnappt, ihm den Schädel rasiert und auf die kahle Stelle den Albumtitel tätowieren lassen. War immerhin billiger. Swain, das sind echte Punks mit „I don‘t give a fuck“-Attitüde – und das hört man auch.

Schon der Einstieg in „The Long Dark Blue“ zeigt eindrucksvoll, wie sehr die Band auf Genre-Konventionen pfeift und kreativ ihr eigenes Ding durchzieht. Das nur 1:39 kurze „Hold My Head“ fällt zu Beginn vor allem mit seinen Vocals auf. Swain spielen hier geschickt mit Kontrasten: Der Gesangspart wurde auf zwei unterschiedliche Arten aufgenommen, einmal in punkig-kratzigen Geschrei, einmal in zielsicher gesungenen Clean-Vocals. Das Übereinanderlegen dieser beiden Elemente erschafft einen völlig neuen Sound, der hin- und hergerissen zwischen Ruhe und völliger Eskalation zu sein scheint, und dadurch umso zappeliger wirkt. Ein Moment, der den Hörer das erste Mal aufhorchen lässt – obwohl die Platte noch nicht einmal 30 Sekunden läuft. Der Song wird anschließend etwas reduziert, baut sich auf - um dann kurz vor dem zu erwartenden Ausbruch auf einmal mit einem entspannt gespielten Piano-Walzer zu enden. Wenn irgendetwas an „The Long Dark Blue“ noch witziger ist als das Cover, ist es dieser Moment, der jedem Musikfan ein fettes Grinsen ins Gesicht zaubern wird.

Im Laufe des Albums demonstrieren Swain immer wieder solche musikalischen Gedankenspielchen. Besonders liegt ihnen das Spiel mit den schrillen Riffs, die klingen, als wäre Gitarrist Boy Tillekens zu nah an den Verstärker herangetreten, und dabei auch noch auf dem Griffbrett ausgerutscht. So furchtbar das auf dem Papier auch aussehen mag, es spiegelt perfekt den Wahnsinn wieder, den auch Sänger Noam Cohen Swain mit seiner Stimme verleiht. Da verwundert es irgendwie auch wenig, das sich zwischen all den durchgeknallten Punk-Machtdemonstrationen einige ruhige Grunge-Balladen im Stil von Nirvana finden. Swain machen nun mal wonach ihnen der Sinn steht. Und warum auch nicht? Sie können’s halt.

Mit „The Long Dark Blue“ beweisen Swain eindrucksvoll, dass die musikalischen Möglichkeiten des Punk noch immer nicht ausgeschöpft sind. Eine Platte, die alles mitbringt, was gute Alben brauchen. Abwechslung, Musikalität, Rotzigkeit, Augenblicke des Innehaltens, Momente zum völligen Ausflippen – und die nötige Portion Verrücktheit, um all das auf einen Longplayer zu pressen. Es wirkt fast, als würden Swain einen Dialog mit sich selbst führen, wenn sie sagen: „Punk Rock messed you up, kid.“ Und wie er das hat. Gott sei Dank.