Subway To Sally und „Hey!“: Kompetitives Wachstum

Die Meister der Dunkelheit feiern nach 5-jähriger Studioabstinenz und diversen Nebenprojekten (Eric Fish oder Bannkreis) ein partielles Comeback. Wie ernst es Subway To Sally mit jener Feierei meinen, das zeigt „Hey!“ in der Detailbetrachtung.
Subway To Sally Hey Cover

Die eierlegende Wollmilchsau ist im Musikgeschäft einerseits Wunschtraum und andererseits gelebter Bewertungsmaßstab. Dadurch kann der eigene Backkatalog schnell zur bleiernen Last werden. Wie soll das Dagewesene erreicht oder gar überboten werden? Wie kann man sich vom restlichen Markt absetzen, ohne die Anhänger ihrer liebgewonnenen Trademarks zu berauben? Essentielle Fragen, denen sich jede alternde Band stellen muss. An derlei Aufgaben zerbricht man oder wächst ein gehöriges Stück über sich hinaus. Subway To Sally streben nach Größerem und schlagen dabei den (nur auf den ersten Blick) steinigeren Weg ein.

Für jene Route ist der Opener wegweisend. Was anfängliche Blechbläser epochal verkünden, entlädt sich in der Kooperation mit den Szenehelden um Lord Of The Lost. Island schreibt die progressive Entwicklung der letzten Jahre fort. Nicht etwa durch Elektro-Samples wie auf „Neon“, sondern durch Screaming. Ein Novum im bandeigenen Klangspektrum, das diesem jedoch ausgezeichnet zu Gesicht steht. In den Strophen hält man sich klassischer und kreiert auf diese Weise einen vielversprechenden Einstieg in „Hey!“. Auffällig unauffällig ist der Übergang zum Folgetrack „Imperator Rex Graecorum“. Die Vorab-Single besticht mit zugänglicher Lyrik trotz sprachlicher Differenzen, welche zeitweise von sakralen Chören vorgetragen wird. Zweiter Song, zweiter Volltreffer. Mit dem dritten und vierten Song wird es dann allmählich unheimlich: Die „Königin der Käfer“ und der „Messias“ bilden einen repräsentativen Querschnitt des Comebacks. Zwischen althergebrachter Metaphorik und scharfer Gesellschaftskritik lassen Subway To Sally keine Wünsche offen. Die Kombination religiöser Stilmittel und moderner Konsumkritik ist erst grotesk, dann genial. Handelte es sich um eine 4-Track-EP, so kratze man haarscharf am Highscore. Achtung: Konjunktiv!

Von derartigen Höhenflügen verwöhnt, gewöhnt man sich nur schwerlich an marktübliche Standards. Der Oomph!-Gastbeitrag in Person von Frontsänger Dero verspricht viel, doch kann die Versprechungen nur bedingt halten. Trotz zentnerschwerem Riffing wäre hier mehr möglich gewesen. Dem Zeitgeist folgend ruft man auf „Alles was dein Herz will“ zum (sehr im Trend liegenden) Befreiungsschlag aus Routinen und Normen auf, nur um sich nach geschlagener Schlacht „Am tiefen See“ eine Verschnaufpause von all der Hektik zu gönnen. Syrahs bittersüße Stimme verleiht der kurzen Rast etwas Einzigartiges, Unnahbares. Frisch erholt geht es gen Untergang. Subway To Sally beschwören die Endzeit mit stoischem Starrsinn, können dieser allerdings auch Positives abgewinnen. Letzen Endes ist sie gar die Initialzündung für Lebensmut und Frohsinn. „Bis die Welt auseinanderbricht“ wird man das Hier und Jetzt zelebrieren. Kompromisse? Ausgeschlossen! Die Schlusslichter um „Aufgewacht“ und „Ausgeträumt“ hängen nicht nur thematisch zusammen, sondern ergänzen sich in Wort und Tat. Speziell letzterer schüppt kräftig Kohlen nach und befeuert die Maschinerie. Ein eindrückliches Finale.

„Hey“! ist lebendig. „Hey!“ ist modern. Und „Hey!“ ist zu keinem (!) Zeitpunkt langatmig. Eine klare Kaufempfehlung für Freunde der härteren, deutschsprachigen Gangart irgendwo zwischen kritischen Mittelalterzungen (Saltatio Mortis) und düster-destruktiven NDH-Brechern der Marke Oomph!.

Fazit

7
Wertung

Die auferlegte Pause scheint neue (alte) Kräfte entfacht zu haben - Ein fideles Stück Musikkultur, welches die Diskographie der Potsdamer auf Hochglanz poliert.

Marco Kampe