Strabande und „Frisch gestrichen“: Die Straße schreibt die besten Songs

Wenn die sonntägliche Formel 1 wegen Smog abgesagt wird, trifft Straßenmusikerduo auf Streicherduett, um die Welt mal kurz zu entschleunigen oder ihr den Zeitpoltergeist auszutreiben.

Das Album „Frisch gestrichen“ ist schon seit Dezember draußen. Dennoch versprüht es positiv-energetischen Sonnenschein und wirkt durch und durch wie ein Sommerkind. Grund dafür ist die pure Frische, die es ausstrahlt. Punkig wie Liedfett, humoristisch wie Olli Schulz, mit Wortwitz und Balladen - „Frisch gestrichen“ bietet jedem Geschmack ein Schmankerl.
Auf der Basis von Akustikgitarre mit Cajon werden emsig mehrstimmig deutsche Texte vorgetragen. Klingt nach 08/15-Straßenmusik? Ist es nicht, denn die Bandbreite an akustischen Instrumenten wird um Cello, Geige und Mandoline erweitert. So entsteht 14-oder-4-Uhr-Morgens-Festivalzeltplatz-Tanzmusik, die bei 30 oder 10 Grad oder abends gemütlich im Camp oder ganz offiziell im Kleinkunstzelt gemütlich mitwippen, zustimmen und sich wiederfinden lässt.
Ein musikalisches Arm um die Schulter legen und alles als okay empfinden, auch wenn das Timing echt mies ist, dir gerade das Zelt im Sommergewitter abgesoffen ist, einfach alles unlösbar erscheint oder sich die eigene Welt eher apokalyptisch gibt.
Strabande erzählen Geschichten, die in der übertriebenen Art witzig wirken, doch findet man auf Anhieb Äquivalente in seinem eigenen Leben und Gedanken. Ob emotional, gesellschafts- oder politikkritisch motiviert spielt keine Rolle, da stehen Tim und Erik den großen Liedermachern in nichts nach. Dabei haben die beiden sich erst 2010 in Würzburg aufs raue Kopfsteinpflaster begeben. Seitdem sind zwei Alben entstanden und man hat das eigene Duo 2017 zum Teilzeit-Terzett bzw. -Quartett ausbauen können.

"Strabande" setzt sich aus aus Straßen, Band und Straba zusammen, einem Akronym für Straßenbahn. Wenn die vier Damen und Herren also in der Fußgängerzone oder Lieblingskneipe ihr Repertoire zum Besten gäben, wer würde nicht innehalten und hinhören? Pflastererprobt klingen Strabande auf jeden Fall und Musik ganz ohne Strom machen sie auch. Das ist es auch, was sie trotz des stetig steigenden Geräuschpegels um uns herum, hörbar bleiben lässt. Zwischen Motorheulen, Presslufthammerstottern und Taxihupen ist Janas fidele Geige immer unüberhörbar und verleiht im Quartett mit Claras Cello, Tims Cajon und Eriks Gitarre auch der hektischsten Großstadtpromenade eine gewisse Seelenruhe und Romantik.

Fazit

8
Wertung

Was Liedermacherlieder den oft wutentbrannten und hektischen Ausbrüchen der thematisch ähnlich klagenden Punk- oder Hardcorebands voraushaben, ist das Entschleunigende. Ohne zu melancholisch-verzweifelt zu sein, bringt Strabandes „Frisch gestrichen“ im klassischen Liedermacherstil mit Sahnehäubchen nicht nur Farbe an die eigenen vier Wände, sondern auch frischen Wind in deinen Musikmix.

Merten Mederacke