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Spielbergs und "Running All The Way Home": Selbsterfüllende Prophezeiung

In den Social-Media-Referenzen attestieren sich die Spielbergs einen Stil, den man am ehesten als „blast making guitar-based indie Rock“ bezeichnen könnte. Große Worte, große Taten? Mitnichten. Lässt man die Fakten sprechen, ist jener Konformitätsdruck keinesfalls ein qualitatives Hindernis.

Schürt man eine spezifizierte Erwartungshaltung, so wird automatisch ein externer Druck konstruiert. Die heutige Indie-Szene bedarf kaum lauter Gitarrensounds, um allgemein Anklang zu finden. Doch hat man sich erst mit verheißungsvollen Versprechungen vom Markt abgegrenzt (siehe oben), so sollte dies auch spürbare Konsequenzen haben. Und tatsächlich: Die Osloer Newcomer pfeffern so manche Salve durch die heimischen Lautsprecher. Dabei ist es sekundär, ob „Running All The Way Home“ nun als Mini-Album oder Maxi-EP verstanden werden möchte. Bis man diese Frage abschließend geklärt hat, schallt einem längst „Running All The Way Home“ entgegen und verdrängt ziellose Gedankenspiele.

Der Opener meidet den vermeintlich einfacheren Weg vieler Indie-Bands: Statt zuckersüßen Synthies regieren hier tatsächlich noch verzerrte Gitarrentöne. Der Titelsong selbst scheint prädestiniert für verschwitzte Clubshows mit einer Luftfeuchte jenseits jeglichen Wohlbefindens. Während sich nun manche nach einer erdenden Erfrischung sehnen mögen, folgt mit „This Is Not The End“ ein noch weitaus konsequenteres, musikalisches Vorpreschen. Wahrlich kreativ mag der Songtitel nicht sein, doch ist die Paarung aus lupenreinem Garagenpunk und trotzig-rotziger Attitüde einfach zu schön, als dass dies wirklich stören würde. Das dynamische „Daisy! It´s The New Me“ oder auch „Oh No“ stehen dem Ganzen kaum nach.

Um auch die zartbesaiteten Anhänger abzuholen, schalten Spielbergs zwischendurch einige Gänge herunter. „The Sum“ geht es wesentlich gemächlicher an, als es die ersten Tracks vermuten lassen würden. Harmonie und Pathos beschreiten einen schmalen Pfad und münden letztlich in mystischer Virtuosität. Ein allemal interessantes Konzept. Auch „Ghost Boy“ weiß zu überzeugen. Der verwünschte Einstieg geht in einen gediegenen Taktschlag und behutsam gehauchte Vocals über. Letztere klingen, als sei das Mikrofon von einem undurchdringbaren Nebel umschlungen, der nur die grundehrlichsten Emotionen passieren lässt. So echt darf Musik zwischen Autotune und Imagekampagnen noch sein und das gefällt. „Fake A Reaction“ lässt kurz die Gesichtszüge entgleisen - welch ein abgedrehter C-Teil! Das Nervenkorsett hat sich ganz allmählich beruhigt, ehe „Setting Sun“ diese kraftstrotzende Veröffentlichung mit melancholisch-träumerischen Impressionen beschließt und die Lust auf das nächste, vollwertige Studiowerk immens ansteigen lässt.

Ein knappes Jahr ist seit dem vieldiskutierten Debütalbum „This Is Not The End“ vergangen und schon beehren uns die Spielbergs aus Oslo mit neuem Material. Dem Eindruck, dass hier B-Seiten recycelt worden sein könnten, hält man eine Vielzahl von Krachern mit Single-Potential entgegen. Konsequenterweise liefern die Osloer genau das, was zuvor angekündigt wurde: Geradliniger Rock´n´Roll mit dem steten Drang zur Weiterentwicklung. Dabei ist die eigene Genreverortung keine willentliche Kunstzensur, sondern eine selbsterfüllende Prophezeiung. Well done.

Fazit

7.5
Wertung

Die Geister, welche die Spielbergs rufen, wird man nur schwerlich wieder los. Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren lärmtechnisch entnervten Nachbarn oder die örtliche Sittenpolizei.

Marco Kampe
6.5
Wertung

Handgemachter Indie-Rock/Pop. Die Qualität, Innovation und das Potential der Songs schwanken aber stark. "Running All The Way Home" macht für den Moment Spaß, aber ist auch schnell wieder vergessen.

Niels Baumgarten