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Sniffing Glue und „Feral Thoughts“: Mehr Perlen, bitte!

„Wilde Gedanken“, so lautet der Titel des fünften Albums der Hardcore-Punker Sniffing Glue ins Deutsche übersetzt. Der Name ist für die Hörerschaft Programm.

„Feral Thoughts“ wurde nach Angaben der Band „übers Wochenende“ live eingespielt. Das Werk umfasst 16 Songs, wie sie sich für Hardcore-Punk gehören. Kurz, schnell und dabei immer Vollgas! Nur drei der Titel sind länger als zweieinhalb Minuten, zwei Tracks bringen es nicht einmal auf eine Minute Spielzeit. Die Vorzeichen stehen auf Kurzweiligkeit mit der Hoffnung auf die nötige Abwechslung, um nicht 16 Songs später nichts als einen dicken Kopf übrig zu behalten.

„Life Abuse“ als Opener legt ein fast schon angenehmes Tempo an den Tag und präsentiert von Beginn an wie rau und wütend Sniffing Glue agieren. Der Text geht vor allem im Refrain ins Ohr, der Song wird durch die Arbeit von Gitarrist Julian geprägt. Er bereitet die Hörerschaft in Kombination mit den drei weiteren Bandmitgliedern auf das vor, was folgt. Aussage des Titels könnte sein, dass wir alle sterben werden. Die Unsicherheit in der Interpretation der Titel folgt aus den meist schwer zu verstehenden Texten, was aber bei englischsprachigem Hardcore-Punk in den Ohren der deutschsprachigen Hörerschaft völlig legitim ist.

Die folgenden Songs, zum Beispiel „Raised By Wolves“ oder auch der Titeltrack „Feral Thoughts“, machen dann unweigerlich klar, dass der Opener durchaus zu den langsameren Songs gehört und fahren das Tempo nochmal ein paar Bezeichnungen hoch. Sniffing Glue verändern ihr Tempo im Albumverlauf des Öfteren nach oben und unten und erschaffen hiermit zumindest ein bisschen Abwechslung in sonst eher stumpfen Klängen, die meistens mit einem Affenzahn auf einen einprasseln. Nicht falsch verstehen, auch die langsameren Songs sind zum überwiegenden Teil im allgemeinen Verständnis wohl eher schnell.

Inwiefern die Texte das im Promotext geschriebene Prädikat „angepisst“ erfüllen, lässt sich aufgrund der angesprochenen Unverständlichkeit nicht zu einhundert Prozent bestätigen oder widerlegen. Allein die Namen der Titel deuten aber in eine eindeutige Richtung. Als Beispiele seien an dieser Stelle als Übersetzungen „Lebensmissbrauch“, „Selbstzerstörung“ oder auch „Backstabbed“, also „von hinten erstochen“ aufgezählt. Tendenz: Negativ. Da die Tracks wie erwähnt einem genauso wütend entgegen gebrüllt werden wie ihre Namen klingen und anhaltend wie die symbolischen Bomben vom Himmel auf den eigenen Kopf niederregnen, einschlagen und auf Dauer die gleiche Wirkung haben, macht „Feral Thoughts“ kurzzeitig Spaß, strengt das Gehirn aber insgesamt eher an.

Nichtsdestotrotz hat auch „Feral Thoughts“ seine Perlen zwischen dunklen Muschelschalen, wobei leider im Gegensatz zur Natur nicht nahezu auf jede Muschel auch eine Perle abfällt. „Cement Shoes“ zum Beispiel ist aber eine geradezu willkommene Abwechslung und wird um einiges melodischer gesungen und gespielt als der große Rest der Platte. Dabei erinnert der Track unwillkürlich an die schwedische Oi!-Punkband Perkele und könnte genauso gut auf einem derer Alben einen Platz finden. Auch wenn es natürlich mit voller Absicht nicht das Ziel dieses Albums ist, melodisch und angenehm rüberzukommen, wird hier dem Kopf eine kurze Pause gegönnt, bevor es mit Vollgas in die Restlaufzeit der Platte geht und die Fans dieses Vollgas-Hardcore-Punks wieder voll auf Ihre Kosten kommen.

Fazit

4
Wertung

„Cement Shoes“ hat es mir wirklich angetan. Das gesamte Album am Stück zu hören, und das soll ja der Sinn eines Albums sein, empfinde ich als extrem anstrengend und ich stelle unweigerlich fest, dass mein Gehirn der Platte irgendwann einfach nicht mehr folgen kann. Oder folgen will. Für alle die darauf stehen wohl dennoch ein Anlauf wert.

Mark Schneider