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Shehehe und „Pet Songs“: Schnell erwachsen werden

Auf ihrem vierten Album erzählt das Punk-Trio aus den USA Geschichten vom Erwachsenwerden, angereichert mit Harmoniegesang, eingängigen Riffs und spannenden Einfällen. Ist „Pet Songs“ das musikalische Äquivalent zu einem Coming Of Age-Film wie "Boyhood"?

Der Begriff Coming Of Age bezeichnet ein Filmgenre, in dem die jugendliche Hauptfigur eine Wandlung erlebt, an deren Ende sie als Person gereift ist. Häufig verarbeiten die Filmemacher*innen darin eigene Erfahrungen. „Pet Songs“, das vierte Album von Shehehe aus Athens, Georgia ist in diesem Sinne ein Coming Of Age-Album. Es geht um's Scheitern und um's Weitermachen, um den nostalgischen Blick zurück und den zuversichtlichen nach vorn.

Dabei stehen die Mitglieder von Shehehe eigentlich voll im Leben: Gitarristin Noelle Shuck arbeitet Vollzeit im Georgia Museum of Arts, Bassistin Nicole Bechill und Schlagzeuger Jason Fusco haben seit kurzem ein gemeinsames Kind. Mit ihrer Band, die es seit 2011 gibt, leben sie dennoch den Traum vieler Jugendlicher: Abends geht es in den Proberaum und am Wochenende auf die Bühne.

Auch musikalisch passt der Vergleich zu einem Coming Of Age-Film: Wenn in „American Graffiti“ Rock’n’Roll im Radio läuft, dann sind das die Songs, mit der Regisseur George Lucas aufgewachsen ist. Dementsprechend trägt „Pet Songs“ mit den Hard-Rock-Riffs und dem Westcoast-Punk-Drumming seine Einflüsse offen zur Schau: Man fühlt sich abwechselnd an die New York Dolls und Rancid erinnert, vergisst aber nie, dass man gerade Shehehe hört. Dazu trägt insbesondere der Umstand bei, dass alle drei Musiker*innen auch singen: manchmal gegeneinander, manchmal miteinander, aber auf jeden Fall einzigartig.

Vom ersten Ton an ist das Tempo hoch und in der nächsten halben Stunde gibt es keine Verschnaufpause. Jeder einzelne Track strotzt nur so vor Energie, dennoch variiert die Band gekonnt die Geschwindigkeit innerhalb der Songs, wie in „Down The Stairs“. Auch andere Ideen, wie ein Breakdown in „School Kid / Wonderyears“ oder eine A Capella Einlage in „Summer Camp Rant “ lassen die Songs nicht langweilig werden. Dabei erkennt man, wie lange die Band bereits zusammenspielt, denn das alles ist wirklich tight umgesetzt. Wenn es mal rumpelt, dann soll das auch so.

Thematisch geht es um's Erwachsenwerden, ein Prozess, der vielleicht nur im Rückblick wirklich erkannt und reflektiert werden kann. Es geht um die nostalgische Erinnerung an das Zeltlager („Summer Camp Rant“) und das erste Haustier („Pet Song“) und damit um eine Kindheit, deren Schutzraum man schon verlassen hat. Allerdings möchte man das nur bedingt wahrhaben. Dass man danach für seine eigenen Taten verantwortlich ist, auch wenn man sich dem nicht gewachsen fühlt, thematisieren der erste („… But I’m Trying Hard“) und der letzte Song („New Year’s Eve Eve“) auf dem Album. All das zu akzeptieren und sich gleichzeitig kindliche Eigenschaften wie die Neugier zu bewahren („Dog Secrets“ stellt die Frage, was Hunde eigentlich den ganzen Tag machen, wenn sie allein in der Wohnung sind), genau darum geht es beim Erwachsenwerden, in Coming Of Age-Filmen und auch auf „Pet Songs“.

Fazit

8.2
Wertung

Nostalgisch, aber ohne zu verklären, blickt „Pet Songs“ zurück und erzählt Geschichten aus der Kindheit und Jugend. An Shehehes hochenergetischem Punk-Rock werden Erwachsene und die, die es werden sollen, ihren Spaß haben.

Steffen Schindler