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Razorlight und „Olympus Sleeping“: Zurück, aber noch nicht zu Hause

Razorlight liefern nach zehn Jahren ihr viertes Studioalbum. Und haben ein sehr vielseitiges Gesamtwerk kreiert - mit einigen Ausreißern nach oben und unten.

Mit Neubesetzungen an Gitarre und Bass schaffen Razorlight mit „Olympus Sleeping“ ein rundum sehr gelungenes Album. Johnny Borell, der frühere Bassist der Libertines, und seine drei Bandkollegen gehen dabei augenscheinlich ganz anders an die neue Platte ran. Dementsprechend ist es nicht der gewohnte Klang, den die Band noch vor zehn Jahren besaß. Im Großen und Ganzen ist der Langspieler gut bis sogar sehr gut gelungen, mancher Sound steht der Band aber gar nicht.

Eingeführt von einem Intro, in dem jemand um ein Razorlight-Album bittet, welches „not totally sucks“, wird man schnell überrascht - eher negativ als positiv. Der erste Song „Got To Let The Good Times Back Into Your Life“ befindet sich in einer Country-Surf-Rock-Atmosphäre. Dabei passt aber nicht wirklich viel zusammen. Wahrscheinlich angeregt durch amerikanische Künstler verweht dabei jegliche Erwartungshaltung an das Album. Und auch der zweite Song „Razorchild“ kommt nicht wirklich von diesem Klang weg. Unterhaltsam machen es hier dann eher die vielseitigen musikalischen Stilelemente. Zwischen dem sehr verspieltem Bass taucht immer mal wieder etwas auf, was wie ein Kinderkeyboard klingt.

Wofür standen denn aber Razorlight mal? Für den verschwitzen Indie-Rock Englands, welchen sie mit breiter Brust in die Welt tragen wollten. Mit „Brighton Pier“ gelingt das schon deutlich besser. Weniger angehaucht von amerikanischer Musik, sondern mehr auf den eigenen Klang fokussiert, erscheint hier ein wirklich schöner Song. Eine große Änderung im gesamten Auftreten und an der Herangehensweise der einzelnen Lieder im Vergleich zu „Slipway Fires“ (2008) ist die Art und Weise, wie Johnny Borell singt: kurze, knappe Worte, die Aussprache nicht mehr ins unendliche gezogen. Leider verschlingt er dabei öfter ein Wort oder eine Wortgruppe, dadurch fehlt einem oft eine Zeile und das Verständnis der Texte fällt dabei manchmal etwas schwerer.

Viele Texte klingen dabei sehr persönlich. Es wird oft über eigene Probleme, aber augenscheinlich auch über eine Frau gesprochen, die dem Ich-Protagonisten aufgrund ihrer eigenen Probleme viel abverlangt hat. Als Ratgeber fungieren die Texte dabei, sei es beim ersten Track „Got To Let The Good Times Back Into Your Life“, „Carry Yourself“ oder im Titeltrack „Olympus Sleeping“. Doch auch die zwischenmenschliche Beziehung der beiden Protagonisten wird aufgewühlt. Die Balladen „Iceman“ und „No Answers“ sowie der letzte Song „City Of Women“ erzählen von vielen Schwierigkeiten.

„Olympus Sleeping“ läuft als Langspieler zwar nicht gewohnte Wege, besitzt aber dadurch einen ganz neuen Charme. Den Höhepunkt erlebt die Platte in ihrer Mitte. Nach „Brighton Pier“ folgt der unglaublich energiegeladene, kurze Song „Good Night“, bevor der Hit der Platte „Carry Yourself“ ertönt. Mit „Japanrock“ und „Iceman“ hat man noch zwei Tracks, die viel Spaß machen. Dazwischen quetscht sich mit „Midsummer Girl“ ein eher stumpfer Song. Im Anschluss verliert der Sound leider an nötiger Experimentierfreudigkeit. Man merkt sehr schnell, dass es auf das Ende zugeht.

Razorlight machen vieles richtig, ihre Art und Weise der Musik klingt wieder sehr sympathisch. Mit der Suche nach dem für sie besten Musikstil sollte die vierköpfige Kombo aber nicht aufhören. Ihre neue musikalische Heimat hat sie noch nicht gefunden. Razorlight sind aber auf einem guten Weg. Textlich fehlt abseits von einem „Ich und Du“ der Blick auf die Welt. Es ist ein sehr zurückgezogenes Album, welches für sich selbst tanzt. Dabei behält es Hoffnung und Freude, auch wenn man nicht den Spaß seines Lebens haben kann. Schöne 36 Minuten können es auf alle Fälle sein, auch wenn man kein musikalisches Feuerwerk erwarten darf.

Fazit

6.6
Wertung

Es macht gute Stimmung, „Olympus Sleeping“ zu hören. Ohne jegliche Erwartungen hat es mich dann doch relativ schnell abgeholt, auch wenn manchmal einfach noch etwas fehlt. Mit „Carry Yourself“ existiert ganz klar ein Track auf der Platte, der in meine Top 5 des Jahres kommen könnte.

Ole Lange