Protomartyr und „Relatives In Descent“ – Zu viel Egal

Nöliger Sprechgesang war schon bei Die Nerven oder Van Holzen cool. Protomartyr fehlt aber die nötige Inspiration, um diesen richtig in Szene zu setzen.
Protomartyr Relatives In Descent Cover

Einen Fick zu geben ist in der Welt der Rockmusik ja schon länger nicht mehr angesagt. Hauptsache, es klingt nicht aufpoliert, glattgestriegelt oder gar bemüht. Und ja, diese ungezähmten Schlachtrösser aus akustischem Material können gerade im Noise oder im Garage Rock ungeheuer faszinierend sein. So schön unidealistisch wollen Protomartyr auch sein, wissen dabei aber nicht wirklich, wie sie das eigentlich anstellen sollen. Monotonen Spoken-Word-Gesang haben sie schonmal, doch wenn die darum liegende Instrumental-Fraktion sich ähnlich ideenlos gibt, ist das eben kein gespielt gelangweilter Avantgardismus, sondern wirklich langweilig.

Gut, ein paar coole Momente hat „Relatives In Descent“ tatsächlich. In „The Chuckler“ steigern Protomartyr ihre monotonen Staccato-Anschläge zum Beispiel bis hin zur pompösen Streicher-Orchestrierung, das darauffolgende „Windsor Hum“ gibt sich knackig dissonant, und „Half Sister“ treibt seinen Minimalismus aller Widrigkeiten zum Trotz in die Sphärik. Insgesamt klingt die Platte aber nach Inspirationslosigkeit, die so tut, als wäre sie gewollt, in ihrer Substanz aber berechtigte Zweifel daran lässt. An diesem Problem krankten auch die Vorgänger schon stellenweise, gaben sich dabei aber immer wieder etwas frecher und lärmender. „Relatives In Descent“ wirkt dagegen deutlich kraftloser, und inszeniert das musikalische Ebenbild eines Langschläfers, dessen Heimat die Couch und dessen Lieblingsbeschäftigung das Nachmittagsprogramm von RTL ist. Das könnte man schon fast wieder als cool auffassen, ist in Wahrheit aber wohl bestenfalls Durchschnitt.

Fazit

4.9
Wertung

Die unselige Frage "Ist das Kunst oder kann das weg?" muss man dem neuen Werk von Protomartyr leider unweigerlich stellen. Stellenweise will die Antwort der Band darauf immer wieder aufblitzen, verliert sich dann aber viel zu schnell im undefinierbaren Monotonie-Wirrwarr. So lässt "Relatives In Descent" mich eher verwirrt als zufrieden zurück.

Jakob Uhlig