Polar und „Nova“: Unvermutete Töne der berühmt-berüchtigten Energiebündel

Melodiöse Raubeinigkeit ist spätestens seit „No Cure No Saviour“ etwas gewesen, wofür die Briten von Polar felsenfest einstanden. Mit „Nova“ gehen sie diesen Weg nun noch konsequenter weiter und legen dabei in allen Facetten eine Schippe drauf.

„Nova“ wurde mit drei Singles und Videos angefüttert. Es waren drei absolute Brecher, die die Band da präsentierte. Die Botschaft war eindeutig: Mehr Härte, mehr Druck, mehr Entschlossenheit. Aber gleichzeitig auch intimere, persönlichere Themen. Der Blick geht auf „Nova“ öfter nach innen als nach außen. Die Band spricht viel vom Erwachsenwerden und von einer neuen Perspektive auf Dinge, die das mit sich bringt. „Before we wrote about things that we saw in the world and were passionate about, some people even used to think that we were becoming a political band. This time the things we are writing about are much more personal to us. It’s a lot more rewarding. We all have different ups and downs in life and the band and we have such a perfect platform to deliver these feelings. We are touching on some very personal subjects that are close to our heart. As we have got older in life, there are different things that happen to us“, erzählt Gitarrist Fabian Lomas über „Nova“.

Doch nicht nur fortschreitende, kompromisslose Härte und die im Chor mit unendlich viel Herzblut gegrölten Refrains, die Polar schon seit jeher auszeichneten, bietet ihr neues Album. Die Band hat absichtlich neue Facetten auf der Platte versteckt und nicht vorab verraten. Zur Halbzeit nach sechs Tracks überrascht die Hörerschaft eine zweiminütige Pause. „Sonder“ ist ein plätschernder Instrumentaltrack und ein Quell der Sanftheit im Metalcore-Getöse. Der folgende Track „Amber“ hält das nächste Experiment bereit. Den vokalen Anfang macht nicht Adam Woods harte Stimme, sondern melodiöse Frauenstimmen. Diese begleiten ihn auch durch den ganzen Song immer wieder.  Polar schaffen etwas, dass viele Bands gar nicht erst versuchen: Sie werden nicht poppiger im Verständnis von leichter zugänglich, im Gegenteil. Polar legen eine große Schippe Härte und Dröhnen im Soundgewand drauf und kombinieren dies mit poppigen Elementen, wie einem Klavierintro samt Popsternchengesang á la Rihanna in „Dusk“. Aber diese Kombination ist auf so einzigartige Weise gestrickt, dass sie Polar letztlich zwar brachialer, aber zeitgleich zugänglicher werden lassen. Auch schaffen sie es über die Länge von zwölf Tracks abwechslungsreich und interessant zu bleiben – einerseits durch eben erwähnte Experimente, jedoch ohne dabei so dubios uneinheitlich zu werden wie ihre Landsleute von Bring Me The Horizon auf „Amo“. Andererseits legen Polar eine Text- und Melodiegestaltung an den Tag, der man intuitiv einfach zuhören will.

„We write every album as if it‘s our last“, verrät Lomas über den Schreibprozess. Genau so klingt „Nova“ in jeder Silbe und jedem Akkord. Und wie eine waschechte Nova glüht dieses Album in jedem Song neu auf, um zu guter Letzt in „Brother“ ihr explodierendes Finale zu finden. Über fünf Minuten tickt diese Bombe, bevor sie in intensiven Chorgesang und stabiler Doublebass hochgeht und ihr Ende findet. Polar bieten mit „Nova“ das persönlichste und ausgeklügeltste Album ihrer Karriere an. Die Highs und Lows, die die Band in ihren Texten bespricht, finden sich auf feinste Weise in der Musik wieder. Die unterschiedlichen Elemente sind mit Herzblut aneinander gekittet und unlöslich für immer vereint. „Nova“ ist ein überraschendes Album – und zwar ein überraschend großartiges.

Fazit

8
Wertung

Polar bringen ihr Game auf das nächste Level. Weniger ist mehr? Scheiß mal drauf, hier ist mehr von allem! Versprühen Polar auf der Bühne sowieso schon immer eine ganz eigene sofort mitreißende Art von Energie, so schaffen sie es dieses Gefühl auf „Nova“ bestmöglich auf Platte zu bannen.

Merten Mederacke