Okta Logue und „Runway Markings“: Im luziden Traum

Okta Logue als eine der unterschätztesten Bands in Deutschland zu bezeichnen, würde den Kern nicht wirklich treffen. Wer das Quartett nämlich kennenlernt, der kann kaum anders, als sich zu verlieben – würden doch nur mehr Menschen diese Begegnung machen.

Dass Pink Floyd auch Jahrzehnte nach ihrem kommerziellen Höhepunkt immer noch breit rezipiert werden, ist keine Neuigkeit. Die sphärischen Gitarrenlinien der Progressive-Ikonen werden in unendlich vielen Kontexten rezipiert. Sie finden sich in den sphärisch-großflächigen Shoegaze-Passagen moderner Post-Hardcore-Bands, feiern im Psychedelic Rock sowieso regelmäßig ihr Revival und wer ganz breit argumentiert, findet Pink-Floyd-Ästhetik sogar in den weitläufigen Klangwelten zahlreicher elektronischer Künstler. Kaum eine Band verneigt sich aber derartig gekonnt vor den Kunstwerken von David Gilmour wie es Okta Logue aus dem unscheinbaren Darmstadt tun. Die wunderschönen Gitarrenläufe des Quartetts sorgen seit nunmehr zwei Alben und einer ausgiebigen EP für monumentale Reminiszenzen, die aber erst dadurch so schön werden, dass sie kein bloßes Spiegelbild ihrer eindeutigen Einflüsse sind. Okta Logue kombinieren ihre wunderschön ausufernden Reverb-Gitarren mit kontrastierend schlichter Blues-Romantik, arbeiten sich kreativ an Elektronik und akustischen Instrumenten ab und bauen regelmäßig beeindruckende Progressionen neben unglaublich schöne Melodien.

„Runway Markings“, der dritte Longplayer der Band, stellt in diesem Kontext keine großen stilistischen Überraschungen bereit. Okta Logues Sound scheint sich immer mehr zu festigen, elektronisch schnurrende Synthie-Experimente wie das fantastische „Pitch Black Dark“ auf dem Vorgänger „Diamonds And Despair“ bleiben diesmal aus. Stattdessen ist „Runway Markings“ das bisher einheitlichste Album der Band, wodurch man sich noch einfacher in wunderschönen Melodien und fantastischen Grooves verlieren kann. Die Varianz liegt vielmehr im Detail – zum Beispiel in den traumhaften Klavierklängen des Intros „Yesterday’s Ghosts“, den psychedelischen Chören von „Out Of Gas“ oder dem großartigen Garage-Groove von „In Every Stream Home A Heartache“. Okta Logue bedienen in „The Wheel“ ebenfalls das seit einigen Jahren andauernde Revival des Saxophon-Solos, das bereits in zahlreichen popkulturellen Kontexten stattfand, aber selten so nostalgisch nach 80er-Highschool-Ball klang wie hier.

Etwas Stagnation darf man Okta Logue auf ihrem neuen Album durchaus vorwerfen – innerhalb der eigenen Bandgeschichte stellt „Runway Markings“ definitiv kein Novum dar, sondern ist vielmehr das weitere Exerzieren der eigenen Ästhetik. Anderseits steht das Quartett mit seinem Sound in der gesamten Pop-Landschaft weiterhin ziemlich einzigartig da und hat so genug Raum, den inzwischen gefestigten Grundklang zu erkunden. Wer diesem Weg folgt, der stellt fest, dass Okta Logues Weg eine unheimliche Faszination versprüht, der nicht nur in Deutschland zu den interessantesten Experimenten der letzten Jahre gehört. Satt wird man davon noch lange nicht.

Fazit

7.5
Wertung

„Runway Markings“ ist der nächste Schritt einer kontinuierlichen Machtdemonstration einer faszinierenden Band. Jeder Handgriff sitzt, jede Komponente hat ihren minutiös ausgewählten Platz. Das Schöne ist aber, dass man diese Tatsache erst beim aufmerksamen Hören registriert – in erster Linie kann man sich nämlich wunderbar im einzigartigen Sound dieser fantastischen Band verlieren.

Jakob Uhlig