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Neonschwarz und „Clash“: Weil wir genau das brauchen

Die Shwizzys sind back. Und unsere Zeit braucht die vierköpfige Rapper-Combo dringender als je zuvor, da die Szene nicht gerade mit linken Köpfen überrannt ist. „Clash“ ist somit vielleicht eines der wichtigsten Indie-Rap Alben des Jahres.

Marie Curry, Johnny Mauser, Captain Gips und Spion Y an den Decks: das sind Neonschwarz. Jeder für sich mit riesigem Potential. Mit Mauser und Gips hat alles angefangen, vielleicht konnte man die beiden deswegen auch während der Pause von Neonschwarz zusammen auf der Bühne sehen. Doch jetzt sind die vier wieder zusammen und ziehen gleich mal ordentlich vom Band.
„N.E.O.N“ macht von vornherein alles richtig und startet schlichtweg perfekt in die Platte. Ein klassischer Starter in ein Rap-Album: basslastiger, relativ schlichter Beat mit dumpfer Melodie, die ein oder andere allgemein gehaltene Kampfansage, Wortspiele und eine Spur Selbstironie. Es ist einfach alles da: Humor, Rebellion und ein Beat, der sofort ins Ohr geht und den Körper in Wallung versetzt.  
Besonders bemerkenswert ist, dass Marie Curry mit ihrem Gesang glänzt, während auch ihre Strophe und ihre Hook technisch einfach hervorragend gerappt sind. Vielleicht kann man demnächst auch ein Soloalbum von ihr hören. Das nötige Potential ist auf jeden Fall vorhanden und eine solche Symbiose aus Rap und Gesang könnten derzeit wenige so realisieren wie sie. 

Bei „Maradona“ hapert es dann an mehreren Stellen. Der Beat klingt ein wenig so, als wäre er bei Casper geklaut, was definitiv kein Manko ist. Im Grunde ist der Track eine klasse Feelgood-Nummer, wieder mit einer wahnsinnig gut rappenden Marie Curry. Doch dann kommt die zweifelhafte Hook und die ist ein klarer Fall für die Reim-Polizei. Die Diskussion in der Rap-Welt über die sogenannten „Haus-Maus“-Reime ist eine einzige Farce. Beim Versuch, komplexe Reime zu erzeugen, entsteht meist ziemlicher Müll. Daher sind „Haus-Maus“-Reime vollkommen in Ordnung, jedoch gibt es Grenzen und eine wurde hier eindeutig überschritten. „Donner“ auf „Maradona“ zu reimen gehört per Gesetz verboten, weil zu simpel und weil es einfach furchtbar klingt. Wenn man dann schonmal in Rage ist, kann man noch anmerken, dass die Fußball-Ikone Diego Maradona wohl ein eher unzutreffendes Beispiel für die im Song gepriesene „Fick Dich“ Haltung ist. Aber abgesehen von der Hook, ist das wieder eine starke Nummer.

Dann wird es in „2018“ endlich politisch und zwar in rhetorischer Brillanz. Der Track ist ein einziger erhobener Mittelfinger Richtung AfD. Das Beste daran ist, dass Neonschwarz dieses Kürzel oder Namen von Parteimitgliedern nicht ein einziges Mal aussprechen, trotzdem weiß jeder, wer gemeint. Dazu passend ist der Beat mit einer Oud unterlegt, einem orientalischen Zupfinstrument, das auch schon den Solotrack „Hug The Police“ von Captain Gips musikalisch begleitet hat.

„Der Opi aus dem 2. Stock“ ist in seiner Aufmachung von vorne bis hinten beklemmend und genau deshalb so stark. Der Beat signalisiert eine gewisse Gleichgültigkeit, die den betroffenen Personen in dem Track ebenfalls zu Teil wird. Gemeint ist hier der Teil der Kriegsgeneration, der nicht auf Seiten der Nazis war, sondern sich ihnen in den Weg gestellt und überlebt hat. Sie müssen sich jetzt mit ansehen, dass genau darauf wieder zugesteuert wird. Ein komisches Gefühl, wenn man diesen Gedankengang weiterverfolgt. Wieder ganz stark von den Shwizzys.

Das Album hätte ein Track By Track verdient, jedoch würde das den Rahmen des Reviews komplett sprengen. Daher bleibt nur noch das Schlusswort von Neonschwarz, nämlich eine Ode an ihre Heimat St. Pauli. Der gleichnamige Titel fängt die Stimmung vor Ort sehr gut ein und malt ein beeindruckend schönes Bild für diejenigen, die diese Stadt noch nicht besucht haben. Wie es für jemanden ist, der dort wohnt, muss vielleicht jemand beurteilen, der eben dort wohnt. Für den Außenstehenden bleibt es ein kleines, neidisches „Wow“.

Mit Wow ist „Clash“ auch sehr gut beschrieben. Neonschwarz reißen ihr Maul auf, zügeln sich aber im Gegensatz zu früher. Auf diese Art und Weise sprechen sie auch Hörerinnen und Hörer außerhalb ihrer Fanbase an, was der Sache dient. Das darf auf keinen Fall falsch verstanden werden, denn das hat nichts mit Ausverkauf zu tun. Aber noch mehr Tracks auf dem Index tun dem Kampf gegen Rechts einfach nicht gut. „Clash“ ist der Soundtrack für den Widerstand gegen die rechte Hetze, und zwar für jene, die nicht auf Punk, sondern eben mehr auf Rap stehen, oder auch für beide. So oder so, es ist das richtige Album zur richtigen Zeit!

Fazit

7.7
Wertung

Knüppelhart und hochintelligent. Neonschwarz klingen richtiggehend erwachsen und stellen sich dem Rechtsruck im Allgemeinen und der AfD im Besonderen mit erhobenem Haupte entgegen. Dabei müssen sie absolut keine Angst haben, denn die Fanbase wird dank „Clash“ noch um eine Vielzahl von Mitstreiterinnen und Mitstreiter größer.

Moritz Zelkowicz