Muncie Girls und „Fixed Ideals“: ...und diese Stimme!

Bei den Muncie Girls aus England ist die stetige Entwicklung so klar zu erkennen wie bei kaum einer Band zur Zeit. Und mit „Fixed Ideals“ geht das britische Trio gleich mehrere Schritte vorwärts. Härter und persönlicher. Das kann ja eigentlich nur gut gehen.

Der Name Muncie Girls ist etwas verwirrend, zumindest wenn man die Combo zum ersten Mal sieht. Denn Frontfrau Lande Hekt umgibt sich mit Dean McCullen und Luke Ellis, zwei ziemlich männlichen Vertretern der Spezies Mensch. Tut das dem Sound irgendwas an? Natürlich nicht. Manch deutscher Zuschauer wird sich dennoch gewundert haben, als die drei bei Circus Halligalli als „Girls“ präsentiert wurden. Doch auch bei diesem kurzen Auftritt haben sich die Muncie Girls gut präsentiert und sich so vielleicht manch einem ins Gedächtnis gespielt. Die kommende Platte wird entsprechend schon sehnsüchtig erwartet.

„Fixed Ideals“ startet mit „Jeremy“ gleich mal unerwartet rotzig. Aber mit diesem ersten Song führen die Muncie Girls den Hörer sehr leicht auf die falsche Fährte. Denn der wahre Adressat ist Lande Hekts Vater, der ihre Familie verlassen hat und ihre Existenz stets verleumdet hat. Und es geht nicht vordergründig um den Moderator Jeremy Clarkson, wie man es beim Hören zunächst vermuten könnte. Erstmals spielt Lande Hekt nicht nur die Bassline, sondern auch eine zweite Gitarre, was dem Sound eine vollere, beinahe komplexere Struktur gibt. Fraglich nur, wie das live umgesetzt wird, doch da kann man sich ja überraschen lassen.

Bemerkenswert ist wieder einmal, wie Hekt es wieder schafft, sehr persönliche Texte für den Hörer nicht nur verständlich, sondern sogar greifbar zu machen. Sei es in „Family Of Four“ wo sie von ihrer Kindheit als das jüngste von drei Kindern unter der Obhut einer alleinerziehenden Mutter erzählt. Inspiriert wurde sie von der wundervollen und leider verstorbenen Sue Townsend. (Kleiner Lesetipp am Rande: „Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb“ von Sue Townsend; Anmerkung der Redaktion) Oder „Clinic“, ein Song in dem Lande Hekt überraschend leichtfüßig und beschwingt von ihrer Therapie wegen Angstzuständen erzählt.

Und obwohl diese Tracks nicht so düster und traurig klingen, wie es die Lyrics eigentlich vermuten lassen würden, so bilden „Laugh Again“ und „Picture Of Health“ angenehm beschwingte Komplementärstücke. Besonders „Laugh Again“ ist, als kleine Liebeserklärung an wahre Freunde echtes Balsam. Die Texte sind das Aushängeschild von „Fixed Ideals“, denn musikalisch hat man sich zwar vorwärtsbewegt, jedoch nicht wirklich auf viel Variation gesetzt. So klingen viele Lieder sehr ähnlich. Das Schlagzeug, welches akustisch hervorgehoben ist, die stärker als beim Rookie-Album verzerrte Gitarre und natürlich die neue zweite Gitarre - das alles klingt zwar frisch und neu, ermüdet aber auf Dauer ein wenig. Allerdings hilft der Gesang sehr, denn diese Stimme, die sich immer zwischen rau und süßlich bewegt, dazu dieser unglaublich charmante britische Akzent, das alles verleiht den Songs die nötige Variation, die bei den Instrumentals ein wenig verloren geht. Hekts Stimme raspelt kein Süßholz, sie sagt dir: „Mir geht’s Scheiße, ich hab zu viel Dreck gesehen, aber hier bin ich und hier sing' ich!“. Sie ist nicht austauschbar, hat einen unnachahmlichen Charakter und rettet so das Album vor eventueller akustischer Langeweile.

„Fixed Ideals“ macht vieles besser als sein Vorgänger. „From Caplan To Belsize“ war ein hervorragendes Debüt und „Fixed Ideals“ die erwartete und erhoffte Weiterentwicklung und das in beinahe jeder Hinsicht. Und doch, der weiterentwickelte Sound hätte es beinahe zunichte gemacht, denn es fehlt an Abwechslung in den Instrumentals. Aber dafür hat man ja eine Powerfrau an vorderster Front stehen. Mit ihrem Gesangstalent und dem Händchen für persönliche aber dennoch greifbare Lyrics kann Lande Hekt noch einiges aus der Platte holen.

Fazit

6.9
Wertung

Die drohende Langeweile konnte Lande Hekt noch abwenden. Aber daran muss noch etwas feilen, denn ansonsten ist die eigentlich hervorragende Entwicklung ziemlich schnell ziemlich nichtig.

Moritz Zelkowicz