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Mitski und "Laurel Hell“: Inszenierung von Authentizität

Mit einer ausverkauften Welttour nimmt Mitski spätestens nun eine Hauptrolle in der aktuellen Indie Szene ein. Vor allem bei einer neuen Indie Generation, die mit TikTok statt „Is This It“ aufwächst, ist sie beliebt. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Laurel Hell“ auch für Leute, die TikTok verweigern, viel zu bieten hat.

Nach dem berechtigten Hype ihres fünften Albums „Be The Cowboy“ und einer anschließender Albumtournee entstand ein Vakuum, in dem die Sängerin sich sogar aus allen sozialen Netzwerken herauszog. Zum Teil schon vor 2018 und bis 2021 entstanden Songs, setzten sich in Form des sechsten Studioalbums „Laurel Hell“ in dieses Vakuum. In der Vergangenheit schaffte Mitski immer wieder den Spagat zwischen Indie, welcher nicht selten auch mal schneller daherkam und düstere Balladen mit hypnotischem Gesang über Isolation, Einsamkeit und zum Scheitern verurteilter Liebe bot. Dabei bewegte sich die Musik zwischen gut hörbaren Pop-Elementen und durchdachten Arrangements, sowie einem Spiel mit Dissonanzen. Das erwähnte Arrangement umfasst bisher bekannte Instrumente wie Gitarre und Klavier - vermehrt findet sich aber auch ein Synthesizer, der jetzt auf „Laurel Hell“ eine prominente Rolle einnimmt.

In fast schon Dream-Poppiger Fashion kleidet sich der Eröffnungstrack „Valentine, Texas“, welcher eher auf der düsteren Seite des Albums steht. Auch mit „Stay Soft“ orientiert sich Mitski an den Klavier-getriebenen Songs des letzten Albums. Im Gegensatz dazu steht aber „The Only Heartbreaker“, mit welchem plötzlich das Bühnenbild zu einer 80er Jahre Disco wechselt.  Diese Richtung wird auch später mit „That’s Our Lamp“ eingeschlagen, oder auch mit „Should’ve Been Me“, welche definitiv zum Tanzen einladen. Stark im Kontrast steht das zu anderen Tracks wie „Heat Lightning“, welcher introspektiv, verletzlich und eher monoton klingt.

Die bereits im Vorfeld erschiene Single „Working For The Knife“ steht zwischen Catchy und einem desorientierenden Beat. Zwischen eingängig, hypnotisch, unruhig und dissonant. Damit verhandelt Mitski, wie auch mit einem Großteil ihrer bisherigen Alben, eine wichtige Frage. Man hat das Gefühl, dass Mitski den Song für niemanden außer sich selbst und ihrem künstlerischen Tatendrang geschrieben hat. Kurzum: Sie verhandelt auch mit „Laurel Hell“ die Frage der Authentizität. Natürlich war ihre Musik schon immer Musik der Außenseiter:innen, etwas nischig, aber nie unzugänglich. „Laurel Hell“ stellt nun jedoch endgültig die Frage, wie wir mit Musik umgehen, die wir uns so vielleicht gar nicht gewünscht haben. Nach „Be The Cowboy“ wird es genug Fans geben, die mehr Neues vom Alten wollen. Mehr Tracks wie „Nobody“. Aber wollen wir überhaupt authentische Musik? Also Musik, die so von der Künstlerin kommt und sich nicht in Austausch mit Fans und dem Äußeren begibt? Sich nicht den Hörgewohnheiten und Erwartungen unterordnet?

Wie kaum eine andere aktuelle Künstlerin, wird Mitski eben für genau diese Authentizität von ihren Fans geliebt. Ohne eigene Social-Media-Kanäle gibt es kein „drum herum“. Sie reduziert sich bewusst auf ihre Musik, ihre Ästhetik und die Visionen, wie ihre Musik zu klingen hat. Auch mit „Laurel Hell“ geht das wunderbar auf. Das Album ist eine Mischung, welches Abwechslung bietet, in den ruhigen Moment verletzlich ist und in den lauten Momenten mitreißt. Mit 11 Songs und einer Spielzeit von nur 32 Minuten ist sie gut am Stück durchhörbar. Das alles gesagt, muss man leider auch sagen, dass dem Album die starken Songs fehlen. Die Singles sind schon die besseren Songs, kommen aber leider nicht an bisherige Hits der Songwriterin ran. Es fehlt den einzelnen Songs an individueller Stärke, sodass man das Gefühl hat, dass sie das Album gut zusammenhalten, man sie aber nicht einzeln anhören würde. Auch mit ihrem sechsten Studioalbum scheint Mitski noch zu experimentieren und sich nicht einem Stil zuzuschreiben.

Fazit

7
Wertung

„Laurel Hell“ ist ein abwechslungsreiches, authentisches Album, welches sich keinen Erwartungen beugt. Zum Teil hätten einzelne Songs stärker sein können, als Ganzes funktioniert es aber gut. Mitski beweist, dass sie als Künstlerin und nicht als Produkt an ihre Musik herangeht.

Niels Baumgarten