Mahlstrom und „Mæander“: Das Gegenteil von verwunden

Mit ihrem durchaus kernigen Debüt „Mæander“ wandern Mahlstrom an einen sehr düsteren Ort und stellen Fragen über Fragen, doch nicht ohne einen großen Funken Hoffnung. Ein Rundumschlag in feiner deutscher Hardcoremanier.

Mahlstroms neue Platte nennt sich „Mæander“. Ein mäandernder Fluss ist einer mit vielen Schlingen im Lauf. So findet sich nicht nur im Bandnamen der Bezug zum Gewässer. Der Titel des Albums steht jedoch im Widerspruch zur Musik, denn Mahlstrom spielen sehr geradlinigen deutschsprachigen Hardcore, Emo und/oder Punk. Wofür ist der sich windende Fluss also eine Metapher?

Mahlstrom stellen Fragen, verkappt und doch irgendwie direkt. Fordernd und vorwurfsvoll richten sich die zehn Songs auf ihrer ersten Full-Length an jeden Einzelnen, die Gesellschaft und Politik. Ein Rundumschlag, der zu mehr Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein aufruft. Man möchte in einer Neumondnacht durch die Gassen der Klein- oder Großstadt stromern und eben jene Texte laut herausbrüllen.

Dabei schwingt immerzu ein Hauch von „es fühlt sich falsch an“ mit, ob auf das Gegenüber, das Selbst, den Zeitgeist oder den Ort an dem man festsitzt bezogen. Musikalisch scheint dieser Ort jedenfalls sehr düster zu sein. Treibendes Gitarrenspiel löst effektverspieltes Klimpern ab, man wechselt zwischen ins Fleisch schneidenden Riffs und echoenden Melodiefetzen. Klirrende, metallische Gitarren, düstere Bässe, ein rhythmisch drückendes Schlagzeug als Motor und vorwurfsvoll verzweifelte Schreie, bis die Stimme versagt oder nur noch flüstert.

Auf „Mæander“ begegnet einem neben dem „ich“ auch viel explizites „du“ und „ihr“, obwohl man sich nicht sicher sein kann, ob Frontmann Jakob sich nicht doch oft selbst damit anspricht. Passend dazu beschäftigt sich „Wir sollst du sein“ intensiv mit der Selbstständigkeit, der Unabhängigkeit von anderen, auch wenn das schwerfällt, denn es ist immer auch ein Kampf um die Akzeptanz der Andersartigkeit.

Der namensgebende Song „Mænder“ ist ein einziges Brett. Permanent drängt die Frage nach den eigenen Möglichkeiten und Grenzen und inwieweit man überhaupt selbstbestimmt seinen (oder irgendeinen?) Weg beschreiten oder gar zu gestalten vermag. „Freier Wille, freie Wahl, freie Wege, freie Entscheidung, freier Tod und freies Sein“, schreit Sänger Jakob dem Hörer ins Gesicht, bevor sich alles in einem Endlaser-Outro entlädt.

Den Abschluss bildet eine durchaus besondere Nummer. Musikalisch unterscheidet sich „Was zu finden ist“ sehr vom Rest des Albums. Ein Song, der läuft, während man allein im strömenden Regen Auto sitzt, die Scheibenwischer das Wasser nicht mehr bewältigen können und man jetzt eigentlich aussteigen müsste. Und weil einem nichts anderes übrigbleibt: Kapuze auf und raus aus der Karre, während die letzten Klänge von „Mæander“ langsam erlöschen.

Fazit

7.2
Wertung

Für mich ist Mahlstrom die Neuentdeckung des zugegeben noch jungen Jahres. Wenn das Energieniveau live aber genauso hoch ist wie auf Platte, dann werden Mahlstrom auch dort definitiv herausstechen. Ich höre jetzt weiter „Mænder“ in Dauerschleife. Bis bald.

Merten Mederacke
6.9
Wertung

Mahlstroms Debüt ist emotional, klanggewaltig und tiefschürfend. Damit geben sie der deutschen Post-Hardcore-Szene keine Revolution, aber ein neues Gesicht, in das man sich verlieben kann.

Jakob Uhlig