Madsen und „Lichtjahre“: Lebensfrohes Kalkül

Kürzlich startete Alexander Gerst zur ISS. Postwendend versprechen Madsen durch das Artwork ihrer kommenden Platte einen ebenso raketenhaften Aufstieg. Ob der Treibstoff über die Gesamtdistanz reichen wird?

„Rückenwind“ transportiert die Essenz dessen, was Musikfreunde an Madsen skurrilerweise schätzen: Eine gesangliche Leistung im unteren Mittelfeld und einen Text voller Plattitüden und spärlichem Einfallsreichtum, welcher sich auf den C-Part beschränkt. „Sommerferien“ strickt das Muster munter weiter und bedient sich der Metaphern einer unbeschwerten Schulzeit, in denen sich (hoffentlich) jeder wiederfinden kann. „Mein erstes Lied“ komplettiert das Trio; es keimt der Gedanke an ein Konzeptalbum auf. Nostalgie und der Hang zur guten alten Zeit sind derart omnipräsent, dass man dem Gespann aus dem Wendland beinahe erzkonservative Absichten konstatiert.

Letzteres ist glücklicherweise grober Unfug, auch wenn „Lichtjahre“ (leider) den stählernen, gesellschaftskritischen Kinnhaken gesenkt lässt. Zwei bis drei Songs mit tagesaktueller Message wären in jenen unsteten Zeiten, voller Songwriter-Potential, wünschenswert gewesen. Dafür wird das Repertoire für kommende Liveshows durch die Pogo-Granate „Keiner“, den Motivator „Wenn alles zerbricht“ und die Stadionhymne „Kapitän“ vielversprechend erweitert. Somit sei die Zahnlosigkeit verziehen.

„Lichtjahre“ hinterlässt, wie so viele andere Tracks der Bandhistorie, den wohligen Eindruck von Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl - die Heimkehr nach einem Jahr Work & Travel in Australien? Wie sich das anfühlt, müsste man die zahllosen Schulabsolventen fragen, eines steht jedoch fest: Madsen fangen ihre Hörerinnen und Hörer ein und erfüllen treffsicher alle Erwartungen.

„Athlet“ überrascht zwischenzeitig als Nackenbrecher. Brachiale, schwermetallische Riffs inmitten einer Indie-Pop-Rock-Platte? Warum denn nicht, zumal es derart ungestüm die Gliedmaßen durchschüttelt. Wurde der Schlafsand nun endgültig hinweggeweht, folgt „Wird sie mich sehen“. Vielleicht war der lindenbergsche Klassiker „Verbotene Stadt“ eine Inspirationsquelle. Die Grenze zum Jazz, die Grenze zur Melancholie, die Grenze zum stehenden Uhrzeiger sind die herbe Enttäuschung nach den ersten untypisch fesselnden 20 Sekunden. Das dahinter verborgene Talent wird wohl oder übel nur ein zu erahnendes bleiben.

Die gravierende Weiterentwicklung wird verfehlt. Der siebte Streich ist absehbar. Das Cover ist merkwürdig, thematisch wäre mehr zu holen gewesen. Und doch liefert „Lichtjahre“ in seiner Gesamtheit kosmische Materie in das heimische Wohnzimmer. Eine Empfehlung geht raus an Alexander Gerst, so lässt sich die Abgeschiedenheit sicherlich überbrücken.

Fazit

7
Wertung

Es ist nicht mein erstes Madsen-Album und wird gewiss auch nicht das letzte sein. Vermeintliche Schranken des eigenen Talents halten die coolste Familie Deutschlands nicht vom Musizieren ab und das ist gut so!

Marco Kampe
5.9
Wertung

Madsen überraschen auf einigen Ebenen: Musikalisch ist vom gewohnt soften Deutschrock bis hin zu rifflastigen Elementen mehr Variation vorhanden als bei so manchem Vorgänger. Auch die Gesangskünste von Sänger Johannes klingen deutlich sicherer. Der Haken: Im Schnitt bleibt es trotzdem wieder nur nettes Mittelmaß, bei dem nichts ins Ohr oder gar ins Herz gehen will.

Miriam Rhein