Leto und „Wider“: Widerspenstig klingt anders

Auf ihrem zweiten Album spielen Leto als ginge es um ihr Leben. Die treibenden Songs handeln von Entfremdung und Wut. Ihre norddeutsche Herkunft hört man „Wider“ deutlich an. Vielleicht sogar mehr, als gut wäre.

Auf „Wider“ geht es oft darum, sich verfolgt zu fühlen. Meistens von sich selbst. Die Texte von Sänger Jannes transportieren eine ständige Unruhe. Er erzählt davon, sich selbst nicht zu genügen und den anderen schon gar nicht. Wie dieses Gefühl dann umschlägt in Trotz und Wut wider den Verhältnissen. Und dass das ewige Dagegensein auch keine Lösung sein kann. Verpackt ist das in einen atemlosen Stream Of Consciousness.

Die musikalische Begleitung ist dementsprechend dynamisch. Schnelle und zurückhaltende Parts wechseln sich ab, es gibt Call and Response und hymnische Refrains. Dass Leto bei Captain Planet und Turbostaat gut zugehört haben, ist nicht zu leugnen. Dennoch wird man nicht wie bei den Vorbildern hineingezogen in die Songs, denn das alles kommt einem zu bekannt vor.

Handwerklich ist „Wider“ einwandfrei: Die Rhythmusgruppe, bestehend aus Schlagzeuger Pascal und Bassist Phill, bleibt in jeder Geschwindigkeit tight, Jannes‘ und Pauls Gitarren klingen so, wie sie sollten und die eingängigen Gesangsmelodien sind sauber umgesetzt. Die dichte Produktion lässt die Band aber auch beliebig klingen. Widerspenstig geht anders.

Über weite Strecken fließt die Musik einfach vor sich hin, obwohl sie in ihrer Hymnenhaftigkeit eigentlich große Gefühle transportieren will. Sie fällt einfach nicht weiter auf, ähnlich wie die Raufasertapete auf dem Cover. Dadurch gehen leider auch die Texte unter, die aufgrund ihres Metaphernreichtums große Aufmerksamkeit brauchen und verdient hätten.

Ab und zu gibt es allerdings Momente, die den Hörenden dann doch aufmerken lassen, wie die Jazz-Drums und raumgreifende Gitarre im Intro zu „Katzenwäsche“. Das stellenweise angenehm minimalistisch arrangierte „Blau“ bedient sich am Volkslied „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider“ und in „Rotenburg“ trifft das Math-Rock-artige Riff der Strophe auf einen mitsingbaren Refrain.

An diese Beispiele kann man erkennen: Leto können einiges. Das haben sie mit ihrem Debüt gezeigt, das hier begeistert besprochen wurde. Nur machen sie daraus auf dem Nachfolger nicht viel. „Wider“ ist bei aller Handwerkskunst dann leider doch hauptsächlich egal.

Fazit

5.5
Wertung

Wenn vier Hamburger Emo-Punk machen, finde ich das erstmal grundsätzlich sympathisch. Das macht es besonders schade, wenn der Funke dann einfach nicht überspringen will.

Steffen Schindler