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Leto und „Vor die Hunde“: Ein Versprechen für die Zukunft

Nach der kürzlichen Präsentation bei „Unter dem Radar“ war es eigentlich schon klar: Das Debütalbum der Indiepunks von Leto mit dem Titel „Vor die Hunde“ kann nur Album der Woche werden - und vielleicht auch noch viel mehr.

Indie-Post-Punk nach Art von Turbostaat, Captain PlanET oder auch Muff Potter. Dazu ein Gitarrist, der ebenso in der Metal- oder Metalcore-Szene Karriere machen könnte. Das ist der neue Stoff, aus dem Legenden gemacht sind.

Mit „Zahn der Zeit“ starten Leto recht überraschend in „Vor die Hunde“. Das gedämpfte Staccato-Riff, das den sogleich einsetzenden Gesang begleitet, klingt eher nach einem Rock-, beziehungsweise Hard Rock-Intro à la Danko Jones oder Wolfmother. Der schnelle Rhythmus geht sofort ins Ohr und bringt den Puls auf Trab. Musikalisch ist das ein überaus solider Start, doch besonders textlich ist das absolut höchstes Niveau. Wie stark sich die Jungs eingestehen, dass auch sie nicht vom Älterwerden und der Vergänglichkeit des Lebens verschont bleiben, ist ganz großes Kino.

„Der letzte Griff nach Sternen endet freitagabends bitterlich / Wir müssen uns wohl kennenlernen / Der spitze Zahn der Zeit und ich“

Dieses Niveau wird über die komplette Albumlänge nicht nur gehalten, sondern sogar noch gesteigert. Gleich in „Karma“ machen Leto den nächsten Schritt. In einer hymnenhaften Nummer über Taten und ihre moralischen Konsequenzen – über Karma eben – schaffen es die Jungs, einen Ohrwurm zu kreieren, ohne dabei furchtbar platt zu klingen.

In „Lego“ kann man es dann ganz genau hören: Den Unterschied zu den vielen anderen jungen Bands da draußen, die sich auch am Indie-Punk versuchen. Den größten Unterschied machen Sänger Jannes und Gitarrist Phil. Fangen wir da mit „Lego“ an. Eines fällt sofort auf: Die Riffs sind während der Strophen äußerst filigran, aber trotzdem bemerkenswert schnell. Im Chorus hingegen nimmt das Gitarrenspiel an Härte zu und bewegt sich zwischen Post-Hardcore und Punk, vermintes Gebiet. Wo KMPFSPRT zu Hause sind, finden sich nicht viele zurecht. Leto machen es genau richtig und wagen sich nicht zu weit über diese Genregrenze, so fällt der Track nicht durchs Muster. Genau dasselbe Vorgehen praktizieren sie auch in „Licht im Fenster“. Dieser Track nähert sich dieser Grenze aber auch noch von einer anderen Seite an, womit wir bei Punkt zwei wären, nämlich bei Jannes und seinem Gesang. Jannes zeigt sich stimmlich sehr vielseitig, und schießt in „Licht im Fenster“ den Vogel endgültig ab, und zwar im positiven Sinn. Hier singt er ein Duett mit Bassist Paul und traut sich deutlich mehr als zuvor, sogar zu Shouts lässt er sich hinreißen. Mit seiner sonst sehr feinen Stimme ergänzt sich das einfach perfekt. Das wird wiederum in „Anja und Peter“ weiter ausgeführt, wo Paul gesanglich nachzieht.

Into The Wild“ war die erste Singleauskopplung von „Vor die Hunde“ - eine vortreffliche Wahl! Denn Leto halten nicht nur sich, sondern auch der Gesellschaft einen Spiegel vors gehetzte Gesicht. Während die meisten Menschen versuchen, in diesem Spiegel so auszusehen, wie es für Arbeit und Politik angemessen wäre, besinnen sich Leto darauf, als Individuum zu leben, fernab jeglicher Ansprüche anderer oder an sich selbst.

Lieder gegen Fremdenfeindlichkeit sind in der Szene zurzeit hoch im Kurs, und das ist auch verdammt gut so. „Nicht meine Farben“ nimmt ob seiner vielseitigen Metaphern hier noch einmal eine Sonderstellung ein. Doch lassen wir Leto selbst zu Wort kommen:

„Wenn du Eimsbüttel bist, bin ich Barmbek Nord /
Wenn du Hamburg bist, ich meinetwegen Emden /
Wenn du von Staaten sprichst, werf ich mein Ausweis über Bord /
Um das Theater zu verfremden“
 

Man muss nicht unbedingt aus Hamburg kommen um diese Gegensätzlichkeit zu erkennen.

Wo andere bei diesem Thema auf brachiale Gewalt setzen, machen Leto wieder einmal alles richtig und wählen nochmals den bewährten Zwischenweg und bewegen sich so zwischen Punk, Rock und ein wenig Sprechgesang in den Strophen.

Leto haben das Zeug, um die Herzen der Szene im Sturm zu erobern und das nutzen sie. Was Leto auf „Vor die Hunde“ hinlegen ist sowohl musikalisch als auch textlich großes Kino. Wo die Entwicklung da noch hingehen soll, ist schwer zu sagen, da das Niveau schon so unglaublich hoch ist. Sicher ist nur: Diese Platte hat das Zeug, direkt nach oben durchgereicht zu werden.

Fazit

8.6
Wertung

Das kann eigentlich kein Debüt sein. Fein ausgearbeitete Riffs aus Gitarre und Bass. Zwei Sänger bieten Duette, die in der Szene und dem Genre ihresgleichen suchen. Das passt einfach von vorne bis hinten.

Moritz Zelkowicz
8.2
Wertung

Donnerwetter, was für ein Album! "Vor die Hunde" ist wahrscheinlich das stärkste Debüt 2018.

Lucio Waßill