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Leoniden und „Again“: Das Indie-„Meteora“

Nur eineinhalb Jahre nach ihrem sensationellen Debüt feuern die Leoniden gleich das nächste Album hinterher. Ein schlechtes Zeichen?
Leoniden Again Cover

Manchmal ist es gesund, Dinge im Leben mit einer gewissen Skepsis zu betrachten. Zum Beispiel dann, wenn die Leoniden nach großem Hype und endlosen Tour-Orgien schon eineinhalb Jahre nach ihrem Debütalbum quasi nahtlos die nächste Platte folgen lassen – und diese passenderweise schlicht „Again“ taufen. Man traut sich kaum, es auszusprechen, aber: Die zweite Platte des Quintetts riecht äußerlich an vielen Ecken schwer nach schnell durchgewunkenem Abklatsch. Und das wäre mehr als traurig, denn das selbstbetitelte Debüt des Quintetts war ein furios tanzbares Indie-Album, das trotz seiner betont eskalativen Art nie den Faden verlor und äußerst intelligent zu Werke ging.

Wer von „Again“ also einen solchen seelenlosen Zweit-Output erwartet, der kann größtenteils beruhigt werden. Ihre einzigartige Stilsicherheit haben die Leoniden auch auf ihrem zweiten Album nicht eingebüßt. Neben der Standard-Besetzung aus Gitarren, Bass, Schlagzeug und Synthies stehen diesmal vor allem Streicher als ergänzendes Element im Vordergrund, die etwa in der ersten Single „Kids“ dafür sorgen, dass die smoothen Grooves des Songs noch eine ganze Ecke beschwingter daher kommen. Auch die subtile Hymne „Slow“ arbeitet mit Streicherteppich und begünstigt dadurch vor allem die Wärme, die den einzig balladesken Song von „Again“ beherrscht.

Generell ist die zweite Platte der Kieler ein großes Stück glockenheller geworden. Die Gitarren treten oft zu Gunst der Synthies in den Hintergrund und wirken weniger zwingend als noch auf dem Vorgänger. Frontmann Jakob Amr zieht seine stellenweise fast schon piepsige Stimme in immer höhere Tonlagen, gerade in „Alone“ nimmt das schon fast absurde Züge an. Die Platte wird dadurch ein ganzes Stück druckloser. Funktionieren tut das trotzdem, weil die Songs dabei noch immer schön groovy bleiben. Dennoch fehlt den Kompositionen auf „Again“ stellenweise etwas das final überzeugende Argument. Genug gute Gründe für den Hörgenuss dieser Platte gibt es trotzdem. Zum Beispiel die intelligent geführte Leichtigkeit von „Slow“, die feinen Akkordsetzungen in „People“ oder die hymnische Leidenschaft von „Kids“.

Trotzdem kann sich die zweite Platte der Leoniden an einigen Stellen nicht derartig markant absetzen, wie es der Vorgänger vermochte. Hatte die Band bei ihrem ersten Album noch in jedem Song zahlreiche Elemente unter einen Hut gebracht, so basieren die Tracks von „Again“ meist auf einem einzigen Zentralpol, der danach konsequent ausgearbeitet wird. So dreht sich der Opener „River“ zum Beispiel relativ berechenbar um seine simple Chor-Melodie, ohne dabei einen großen Spannungsbogen oder Aufbau zu vollziehen. Das ist immer noch ordentlich tanzbar, aber lässt einschneidende Momente wie etwa die fantastische Klimax eines „Iron Tusk“ vom Vorgänger vermissen. Spaß haben kann man mit „Again“ noch immer, und den Status einer der aktuell spannendsten deutschen Acts wird die Band auch mit diesem Album nicht verlieren. Ein Nachfolger müsste dennoch zwangsläufiger noch mutiger agieren. Erst dann nämlich könnten die Leoniden ihr Potential auskosten, eine ganze Generation zu prägen.

Fazit

7
Wertung

Einen leicht bitteren Nachgeschmack hinterlässt die zweite Leoniden-Platte bei mir, aber nur, weil die Erwartungen nach dem Vorgänger exorbitant hoch waren. Schaltet man diesen Gedanken ab, erhält man ein spaßiges Indie-Album mit sehr eigenständigem Stil. Aber ob das im letzten Jahr so ein Feuerwerk in Deutschland verursacht hätte? Nur möglicherweise.

Jakob Uhlig