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Kraftklub und KARGO: Gut verpackt

Während das dritte Kraftklub-Album Gegenstand des ein oder anderen Gespötts (vgl. "Mein Hass" - Das Lumpenpack) war, kommt die Band mit dem K 2022 mit "Kargo" endlich wieder aus der Versenkung, und zwar wie.

Spannende Feature-Gäste haben auch das Kummer-Soloalbum geprägt. Und das ist nicht das einzige, was an das Soloprojekt des Frontsängers erinnert. Man nehme die Emotionalität von Kummer-Texten, die politischen Statements vom Kraftklub-Ursprung, und "Kargo" erscheint. Musikalisch haben die bisher veröffentlichten Singles auf eine ganzheitliche Rückkehr zum kratzigen Rock-Sound hoffen lassen, das Album bietet aber auch verhältnismäßig viel Autotune und Ruhe. Was natürlich nicht per se schlecht ist und teilweise für eine thematisch angemessene Stimmung sogar essentiell ist. 

"Gesellschaftskritik" klingt immer so platt, wenn es um Musikrezensionen geht, aber eigentlich ist es im Kern das, was viele Kraftklub-Texte auszeichnet. Ob eher subtil wie bei „Fahr mit mir (4x4)“ oder "So schön" oder recht direkt, wie bei "Kein Gott, kein Staat, nur du", die Chemnitzer verpacken Wut über bestehende Strukturen, Probleme und Verhältnisse gewohnt gut und teilweise sogar tanzbar. Besonders gut gelungen ist dieser Balanceakt beispielsweise bei „Wittenberg ist nicht Paris“. Felix und Karl singen vom verständlichen Wunsch, dem ländlichen ostdeutschen Raum den Rücken zuzukehren, fehlender Akzeptanz und schließlich davon, wie viel leichter es ist, „Nazis raus“ zu rufen, wenn es einfach keine Nazis, zumindest nicht in der Präsenz wie in Wittenberg oder der Heimatstadt der Band, Chemnitz, gibt. Ob Paris da das beste Beispiel einer gegensätzlich dazu weltoffenen Stadt ist, lässt sich sicherlich diskutieren, klingt phonetisch aber einfach gut. Das Thema der Rechtsextremen im Osten wird auch in „Vierter September“ angesprochen. Der Song erzählt vom damals groß durch die Medien gegangenen „Wir sind mehr“-Konzerts in Chemnitz am 3. September 2018, als Reaktion auf rassistische Demos und Mobilmachungen der AfD und Pegida. Aus Angst, die Stimmung in Chemnitz könnte final nach rechts kippen, organisierten Kraftklub damals ein großes kostenloses Konzert, auf dem auch quasi die gesamte linke Musikszene, von den Toten Hosen bis K.I.Z. vertreten war und das ganze 65.000 Besuchende anlockte. Das Zeichen war grandios, keine Frage - aber ob sich dadurch wirklich was verändert hat, oder ob ab dem 4. September nicht einfach wieder alles wie gewohnt weitergeht - das ist genau die Kritik, die Kraftklub in dem gleichnamigen Song anbringt. 

Doch trotz der auf dem Album verpackten ernsten Themen gibt es auch lockerere Texte, beispielsweise in „Blaues Licht“, wo es mal fernab aller politischen Ausdrücke einfach nur um Verliebtsein und sich mit einem anderen Menschen wohlfühlen geht. Man braucht schließlich auch mal Pausen vom Weltschmerz und Aktivismus, sonst geht man kaputt - und dann bringt man der Weltverbesserungsmission auch nicht mehr viel. Ausgesprochen gut verknüpft wurden die politischen Ansätze und Liebeslieder schon auf früheren Alben, beispielsweise mit „Songs für Liam“ - und auch hier gelingt das beispielsweise mit „Kein Gott, kein Staat, nur Du“. Im Duett mit Mia Morgan verpackt Felix Kritik an Religionen - dass kein Buch nötig ist, das einem sagt, was richtig ist und man deshalb vielleicht in die Hölle kommt - „Aber das wars auf jeden Fall wert“. 
Neben Mia Morgan treten auch die Schwestern von Felix und Till auf - Nina und Lotta Kummer sind längst mit der eigenen Formation Blond erfolgreich und ergänzen den Song „So schön“ genau richtig. Der spannendste und am sehnlichsten erwartete - und gleichzeitig wohl am kritischsten beäugten - Featuregast findet sich aber sicherlich im Song „Fahr mit mir (4x4)“. Bill Kaulitz von Tokio Hotel leiht dem Song seine Stimme (und Tom ist auch irgendwie dabei) und äußert sich damit gleichzeitig quasi das erste Mal auch in seiner Musik inhaltlich politisch. Seine Stimme gibt dem Song, was er braucht, um monatelang im Ohr zu bleiben und lässt Zeilen wie „Etwas mit Heimatministerium kann für mich keine Heimat sein“ nochmal herausstechen. 

Fazit

7.5
Wertung

Kraftklub zeigen sich musikalisch etwas braver, "Kargo" fehlt es aber dennoch nicht an Gesellschaftskritik. Sie bleiben gewohnt politisch, dabei tanzbar und kehren zumindest teilweise zurück zu dem kratzigen Sound, den sie mit „Keine Nacht für Niemand“ vermeintlich abgelegt hatten. Außerdem sollten wir definitiv alle so leben, dass Franz Josef Wagner was dagegen hätte.

Jannika Hoberg
7
Wertung

Kraftklub bedienen sich auf ihrem nun vierten Album ihrer alten, erfolgsversprechenden Formel. Als Neuerung gibt es die ersten Featuregäste und den Einfluss der Musik Kummers. Es macht dennoch Spaß es (live) zu hören. Ein starkes Popalbum mit ein paar politisch-gesellschaftlichen Liedern und der altbekannten Kraftklub Energie.

Jan-Severin Irsch