"Gesellschaftskritik" klingt immer so platt, wenn es um Musikrezensionen geht, aber eigentlich ist es im Kern das, was viele Kraftklub-Texte auszeichnet. Ob eher subtil wie bei „Fahr mit mir (4x4)“ oder "So schön" oder recht direkt, wie bei "Kein Gott, kein Staat, nur du", die Chemnitzer verpacken Wut über bestehende Strukturen, Probleme und Verhältnisse gewohnt gut und teilweise sogar tanzbar. Besonders gut gelungen ist dieser Balanceakt beispielsweise bei „Wittenberg ist nicht Paris“. Felix und Karl singen vom verständlichen Wunsch, dem ländlichen ostdeutschen Raum den Rücken zuzukehren, fehlender Akzeptanz und schließlich davon, wie viel leichter es ist, „Nazis raus“ zu rufen, wenn es einfach keine Nazis, zumindest nicht in der Präsenz wie in Wittenberg oder der Heimatstadt der Band, Chemnitz, gibt. Ob Paris da das beste Beispiel einer gegensätzlich dazu weltoffenen Stadt ist, lässt sich sicherlich diskutieren, klingt phonetisch aber einfach gut. Das Thema der Rechtsextremen im Osten wird auch in „Vierter September“ angesprochen. Der Song erzählt vom damals groß durch die Medien gegangenen „Wir sind mehr“-Konzerts in Chemnitz am 3. September 2018, als Reaktion auf rassistische Demos und Mobilmachungen der AfD und Pegida. Aus Angst, die Stimmung in Chemnitz könnte final nach rechts kippen, organisierten Kraftklub damals ein großes kostenloses Konzert, auf dem auch quasi die gesamte linke Musikszene, von den Toten Hosen bis K.I.Z. vertreten war und das ganze 65.000 Besuchende anlockte. Das Zeichen war grandios, keine Frage - aber ob sich dadurch wirklich was verändert hat, oder ob ab dem 4. September nicht einfach wieder alles wie gewohnt weitergeht - das ist genau die Kritik, die Kraftklub in dem gleichnamigen Song anbringt.