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Karlsson und "Rauhfaseridyll": Neu bewährt

Wo wird aus Fortschritt Neuerfindung? "Rauhfaseridyll" ist das Debütalbum der Kölner Band Karlsson und der Beweis, dass sich diese beiden Attribute nicht ausschließen.

Neue Musik lädt zu Vergleichen und Assoziationen ein, wobei Karlsson erstmal in eine falsche Richtung locken. Denn zu Beginn der Platte geben sich die vier Kölner einer Härte hin, die sie nicht über die komplette Länge aufrechterhalten können. "Schwule Könige" startet mit schweren und rohen Gitarren und, vor allem, mit viel Bass. So entstehen ein Sound und eine Atmosphäre, die stark an die 8kids erinnert. Allerdings ist dieser Eindruck bereits in der Mitte des Songs wieder weg, denn dann geht man stark in Richtung Captain PlanET. Nicht nur musikalisch ist da eine Parallele zu erkennen. Ein großes Lob in Hinsicht an die lyrische Finesse, die Captain PlanET so an den Tag legen.

Grundsätzlich bei jungen Bands und bei Karlsson im speziellen ist der Vergleich der ersten Werke mit dem Aktuellen sehr interessant. Bei Karlsson steht bislang lediglich die EP "Autohauseröffnung" zu Buche, welche besonders durch das Schreng Schreng & La La Cover "Plastik Fressen" zusammen mit Jörkk Mechenbier erste Bekanntheit erlang. Konnte die EP mit mutigen und aufbrausenden Texten à la "Lampedusa" aufwarten, war das Musikalische doch noch sehr verhalten.

Nun sind sie auf "Rauhfaseridyll" kaum wiederzuerkennen. Auch wenn es Stücke gibt, die sich selber nicht in den Vordergrund drängen, wie beispielsweise "Marathon", hat auch dieser Track Soli und anspruchsvolle Gesangspassagen, die eine ganz eigene individuelle Klasse haben. Und diese Qualität bringen alle Lieder mit sich. Karlsson haben stark an Härte und Energie gewonnen, klingen viel mehr nach Punk als nach Pop – es könnte beinahe eine neue Band sein.

Das Einzige, was sich nicht verändert hat, ist die hervorragende Textarbeit. Und auch wenn Texte wie "Südamerika" wenigstens einen Funken Hoffnung auf seelische Wiedergutmachung mit dem Leben versprühen, so ist das Album "Rauhfaseridylle" ein kleines Festival der Resignation, Wut und Trauer. Themen sind im Grunde der tägliche Wahnsinn. So gibt es für jeden Hörer die Möglichkeit, sich selbst in Teilen wiederzuerkennen – ohne in Plattitüden und Phrasen zu versinken.

Mit dem partiellen Stilwechsel haben Karlsson alles richtig gemacht. Das härtere Gewand steht ihnen ausgezeichnet und ist der Weg in die richtige Richtung. Vieles ist neu, doch das, was Karlsson ausmacht, ist geblieben. Nämlich Haltung und Herz.

Fazit

7.7
Wertung

Mit mehr Druck haben die Aussagen auf "Rauhfaseridylle" gleich eine ganz andere Strahlkraft. Das Kölner Quartett macht hier alles richtig und bewegen sich dahin, wo es hingehen muss: Nur nach vorn.

Moritz Zelkowicz