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Julien Baker und "Turn Out The Lights": Die Essenz

Auf ihrem Debüt „Sprained Ankle“ bestach Julien Baker mit herzzerreißender Ehrlichkeit und musikalischem Minimalismus. Letzterer verabschiedet sich auf „Turn Out The Lights“ etwas, ihre Nahbarkeit büßt die Sängerin zum Glück trotzdem nicht ein.

Trennungen sind schmerzhaft, egal, wie nötig sie auch manchmal sein mögen. Sie durchziehen das Leben eines jeden Menschen, treten oftmals in völlig unerwarteten Situationen auf, sind oft schwer, aber bieten Raum, um an ihnen zu wachsen. Solcherlei Gefühle in Musik zu verwandeln stellt eine mindestens ebenso große Herausforderung dar, doch oft liegt hier in der Einfachheit der richtige Weg zum Ziel. Die US-amerikanische Singer/Songwriterin Julien Baker hat dies erkannt. Ihr Debütalbum „Sprained Ankle“ setzt daher nur auf die essentiellsten Mittel: Die Gitarre zupft sanft nur zwischen zwei Tönen hin und her, und Baker benutzt ihre träumerische Stimme, um ihren schmerzhaften Gefühlen stimmungsvoll Ausdruck zu verleihen. Ihre rasant gestiegene Popularität zeigt dabei eindeutig, dass die schonungslos ehrlichen Texte der Sängerin den wunden Punkt vieler Zuhörer getroffen haben. Wie macht man also weiter, wenn zahlreiche Fans sehnsüchtig weiter auf tröstende Worte hoffen?

Baker findet auf diese Frage die wohl einzig richtige Antwort: Sie wagt wenig Experimente und redet sich ohne Metaphorik die Schmerzen ihrer Gedankenwelt von der Seele. Und so spricht „Appointments“ von dem Ende einer Beziehung und dem Versuch, auf einen guten Ausgang zu hoffen – obwohl die Protagonistin insgeheim weiß, dass es den nicht geben wird. „Shadowboxing“ erzählt von einem erhörten Hilferuf, der aber wirkungslos bleibt. Worte wie „Tell me you loved me / I wanted so bad to believe you“ zeigen, dass Lyrik ohne jegliche Metaphorik manchmal das absolut richtigste Mittel sind. Und doch entfaltet sie eine bittersüße Schönheit, wenn Baker in „Sour Breath“ ihrem verzweifelten Kampf mit „The harder I swim, the faster I sink“ Worte verleiht.

Und musikalisch? Da setzt Baker dieses Mal auf etwas tiefere klangliche Ebenen. Vor allem das Klavier feiert auf „Turn Out The Lights“ seinen Vormarsch und entlädt sich zusammen mit Gitarre und Background-Chor in größer angelegte Songs. Funktioniert das? Durchaus. Braucht Julien Baker das? Nicht unbedingt. Trotzdem ist „Turn Out The Lights“ ein musikalisch wie inhaltlich sensibles Werk geworden, das Bakers künstlerischen Ausnahme-Status weiter unter Beweis stellt. So echt kann Musik sein.

Fazit

8
Wertung

Das Aufregendste an Singer/Songwritern ist oftmals des Künstlers größte Bürde: Die musikalische Reduktion und der damit verbundene Fokus auf die Texte macht die Akteure dem Hörer so nah wie nur möglich. Den Mut zur Ehrlichkeit haben trotzdem zu wenige populäre Vertreter dieser Gattung. Julien Baker ist die wohl angenehmste Ausnahme dieser Regel - und das ist nicht weniger als wunderschön.

Jakob Uhlig
7.7
Wertung

Balsam für die Seele. Auf "Turn Out The Lights" zeigt Julien Baker einmal mehr ihre gesangliche Qualität, die auch voll und ganz in den Vordergrund gestellt wird, während das Instrumentale minimalistisch gehalten wird. Um diese fantastische Stimme so weit wie nur möglich hervorzuheben.

Moritz Zelkowicz