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Jonathan Davis und "Black Labyrinth": Selbstständige Neufindung

Über zehn Jahre soll Korn-Frontmann Jonathan Davis an seinem ersten Solo-Album gearbeitet haben. Angesichts der ungewöhnlichen Einflüsse von „Black Labyrinth“ will man das gerne glauben.

So prägend Korn ihr Umfeld mit ihren ersten Platten beeinflusst hatten, so kompliziert verlief das spätere musikalische Werk der Band. Nachdem die Kalifornier sich zunehmend Vorwürfe des Konservatismus gefallen lassen mussten, wagten sie 2011 ihr bisher experimentellstes Werk „The Path Of Totality“, für das sie wiederum (deutlich zu Unrecht) heftige Kritik ernteten. Seitdem befindet sich Jonathan Davis‘ Band in einem moralischen Dilemma, das die jüngeren Platten wie „The Paradigm Shift“ eindrücklich wiedergeben. Korn wissen nicht mehr, ob sie sich Innovationen oder alten Formeln bedienen wollen und schwimmen dadurch im luftleeren Raum, der letztendlich vor allem gesichtslos wirkt.

Warum diese breite Abschweifung? Weil sie für die Beschaffenheit von Davis‘ erster eigener Platte von entscheidender Bedeutung ist. „Black Labyrinth“ klingt wie ein Befreiungsschlag, an dem Davis angeblich seit über zehn Jahren gearbeitet haben soll. Die 13 Kapitel des Albums sind sich endlich nicht mehr für Momente zu schade, die von Schema F abweichen. Besonders eindrücklich sind hier orientalische Einflüsse, die Davis in seinen Songs immer wieder aufblitzen lässt und dadurch einen fast psychedelischen Einschlag erreicht. Beeindruckend funktioniert das zum Beispiel in „Basic Needs“, das eigentlich zu den eher geradlinigeren Tracks von „Black Labyrinth“ zählt, im C-Teil aber plötzlich in eine Bridge aus Zitar und dem armenischen Blasinstrument Duduk abdriftet. Abschließend kehrt der eigentlich recht generische Refrain noch mit zusätzlicher Synthesizer-Orchestrierung zurück, die zu einem überraschend befriedigenden Finale verhilft. Ähnliche Motive lassen sich in „Gender“ finden, in dem Davis seine Stimme um das fernöstliche Instrumentarium spinnt, was hervorragend funktioniert.

Seine Wurzeln vergisst Davis trotzdem nicht und behält die Grundsubstanz seiner Charakteristik bei. Noch immer singt der Kalifornier seine Songs mit leicht unsauberem und klagenden Timbre, was ihnen den unverwechselbaren Stempel des Künstlers verleiht. Knisternde Metal-Midtempo-Nummern wie „Underneath My Skin“ oder „Walk On By“ würden zudem sicher auch im Kontext einer Korn-Platte problemlos stattfinden. Trotzdem merkt man „Black Labyrinth“ insgesamt seine erfrischende Eigenständigkeit an. Gerade im vom Klavier unterstützen Closer „What It Is“ trägt Davis mit viel Pathos seine Persönlichkeit heraus, die man auf den letzten Korn-Alben schmerzlich vermisst hat.

Es ist schwer, klar festzumachen, warum es bei Korn seit der Veröffentlichung von „The Path Of Totality“ hakt, dennoch bestätigt „Black Labyrinth“ ziemlich zweifelsfrei, dass Davis der kreative Kopf hinter seiner Band ist. Seine Songs sind zwar nicht durchweg interessant, aber sie sind ehrlich und verlieren dabei trotzdem nie den Mut, mit Gewohnheiten zu brechen. „Black Labyrinth“ ist daher noch keine Offenbarung, aber der erste Schritt eines Wegs, den Davis weitergehen sollte. Denn so könnte Davis‘ erste Soloplatte die Eröffnung eines neuen Kapitels werden, das seiner würdig ist.

Fazit

7.2
Wertung

„Black Labyrinth“ hat kleinere Längen, die großen Momente des Albums sind aber so deutlich, dass sie gewürdigt werden müssen. Als Korn-Revival funktioniert die Platte kaum, als Renaissance ihres Sängers ist sie hingegen exzellent.

Jakob Uhlig