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Hot Snakes und "Jericho Sirens": Zahnlose zeigen Zähne

Hot Snakes klingen nicht wie Schlangen, sondern eher wie Löwenbabys: Sie wollen unbedingt so wild und bestialisch wie ihre Vorfahren sein, bleiben dabei aber vergleichsweise harmlos.

Dabei müssten Hot Snakes eigentlich längst zu den Großen gehören, das jüngste Album des US-amerikanischen Quintetts liegt mittlerweile schließlich schon beachtliche 14 Jahre zurück. Gezeichnet von Bandpause und anschließender Reunion kann „Jericho Sirens“ da tatsächlich eine Entwicklung verzeichnen, allerdings eine, von der man nicht unbedingt ein Freund sein muss. Denn genau wie das Cover der Platte eher an relaxten Strandurlaub als an eine Rock-Platte denken lässt, wirken auch Hot Snakes auf ihrer neuesten Veröffentlichung wesentlich gesettleter. War etwa der Vorgänger „Audit in Progress“ noch eine komplett rohe, ungestüme Garage-Granate, wirkt die aktuelle Arbeit der Band eher wie Reißbrett-Rock’n’Roll der Marke Danko Jones.

Gut, das stimmt nicht ganz. Das Spiel mit den unbequemen Dissonanzen liegt Hot Snakes noch immer. Dieses Element sorgt wohl für die meisten lichten Elemente von „Jericho Sirens“. „Candid Cameras“ etwa basiert auf einer solch angenehm frechen Gitarren-Zickerei, die sich schlau im krummen Rhythmus durch den kompletten Song zieht und so aufrüttelt anstatt dahinzufließen. Auch „Death Camp Fantasy“ lässt sein Riff-Grundgerüst immer wieder aufheulen, abseits solcher Momente bleibt die Platte aber eher flach. „Six Wave Hold-Down“ könnte auf einem sehr guten Album etwa noch als Filler durchgehen, bildet aber hier das blasse Niveau, in dem „Jericho Sirens“ sich nahezu durchgängig bewegt.

Das Problem ist dabei nicht unbedingt, dass Hot Snakes den Biss ihrer alten Tage verloren haben, sondern die Tatsache, dass die Band selbst das nicht zu akzeptieren scheint. Auch das Comeback-Album von Quicksand bot nicht mehr die altbekannte Schreifels’sche Härte, „Interiors“ konnte sich im neuen Gewand aber trotzdem eine ganz eigene und erfrischende Klasse bewahren. „Jericho Sirens“ klingt hingegen wie die versuchte Imitation von etwas, das Hot Snakes vor einigen Jahren mal waren. Das Ergebnis zeugt noch immer von handwerklicher Klasse, ist aber zu uninspiriert, um mehr als nur eine Randerscheinung zu sein.

Fazit

5.3
Wertung

Comebacks bedeuten oftmals auch eine Neuerfindung. "Jericho Sirens" zeigt, warum das oft besser als das Aufwärmen alter Gepflogenheiten ist.

Jakob Uhlig