Herbert Grönemeyer und „Tumult“: Das Denkmal steht und steht...

Seit 1984 hat Herbert Grönemeyer zehn Alben auf Platz eins der deutschen Charts platziert und ist damit aus der deutschen Musikindustrie nicht mehr wegzudenken. „Tumult“ tritt in große Fußstapfen und baut das Denkmal Grönemeyers weiter auf, anstatt auch nur einen Stein davon wegzunehmen.

Sehr wahrscheinlich hat niemand, der die Homepage dieses Fanzines aufruft, seinen Namen noch nicht gehört. Mit Herbert Grönemeyer kommt ausnahmslos jeder irgendwann einmal in Berührung. Zu konstant ist der Erfolg des 1956 in Göttingen geborenen Musikers und zu markant seine Musik. Grönemeyer ist der kommerziell erfolgreichste zeitgenössische Musiker Deutschlands, sein 2002 erschienenes Album „Mensch“ ist das bisher meistverkaufte deutsche Album seit 1975. Der Göttinger hat sich selbst ein gewaltiges Denkmal gebaut und veröffentlicht mit „Tumult“ einen weiteren Anbau, eine neue Erweiterung dieses Denkmals.

Bereits die ersten Klänge des Openers „Sekundenglück“ machen unmissverständlich klar, mit wem man es zu tun hat. Nichts Außergewöhnliches, nichts Neues, aber genau dafür wird Herbert Grönemeyer von vielen so geliebt. Längst nicht von allen, dafür ist er in Stimme und Methodik zu außergewöhnlich, aber einen Grund vom Gewohnten abzuweichen gibt es nicht. Nach den angenehm ruhigen Klängen der Strophen ruft der Musiker im Refrain dazu auf, jede Sekunde im hier und jetzt voll und ganz auszuleben. „Das ist was man Sekundenglück nennt.“.

Als weiterer Beleg dafür, dass einiges nach dem Herbert Grönemeyer klingt, den jedes Kind hierzulande schon einmal gehört hat, dient der Song „Taufrisch“. Hier wird man doch ziemlich an den Klassiker „Mambo“, in dem die nicht aufhörende Suche nach einem Parkplatz bei brennender Hitze vertont wurde, erinnert. Bereits im zweiten Song wird der Hörerschaft deutlich, dass Herr Grönemeyer auch im Jahr 2018 noch verdammt viel Spaß an der Musik hat. Er gibt des Öfteren undefinierbare Töne zwischen den Wörtern von sich, die einen beim Hören zwar zum Schmunzeln bringen, in einen Song mit dem für den Sänger typischen, abgehackten Gesang aber reinpassen wie die berühmte Faust auf's Auge. Auch in „Leichtsinn und Liebe“ trifft man auf diese Lückenfüller.

Im Verlauf des Albums greift Grönemeyer eine breite Vielfalt an Themen auf. Lieder wie „Mein Lebensstrahlen“, „Der Held“ oder „Und immer“ behandeln das Thema Liebe, welches im Repertoire des Musikers schon immer einen bedeutenden Platz hatte. „Und immer“ hat aus dieser Auswahl durchaus das Zeug, längerfristig in die bekannteren Songs Grönemeyers zu rutschen. Hier trifft ein unglaublich tiefgründiger Text, welcher einen besungenen Partner direkt aus der Ich-Form stärkt, auf eine eingängige Melodie, die sich schnell im Ohr verankert und den ganz klaren Gefühlsbonus auf ihrer Seite hat. „Warum“ hinterfragt auf sehr nachdenkliche Weise das eigene Dasein, „Lebe mit mir los“ verkörpert davon das Gegenteil und wird inhaltlich seinem Titel voll und ganz gerecht. Grönemeyer lässt vor allem die auf die Liebe bezogenen Texte sehr privat und authentisch wirken.

Auch mit Kritik hält sich Herbert Grönemeyer nicht zurück. „Doppelherz“ ist durch seinen arabischen Flair und dem teilweise türkisch gesungenen Text durchaus gewöhnungsbedürftig. Inhaltliche Botschaft ist, dass ein Herz nicht nur an einem Ort schlagen muss und Weltoffenheit in Zeiten von vielen zusammenlebenden Kulturen eine wichtige Eigenschaft ist. 

Die deutlichste Message auf „Tumult“ enthält aber der Titel „Bist du da?“: „Bist du da, wenn Seelen verwaisen? Bist du da, wenn zu viel Gestern droht? Wenn wir verrohen, weil alte Geister kreisen? Bist du da?“. Egal ob sich diese Zeilen nun an uns Menschen richten oder an etwas Übernatürliches: Grönemeyers Tipp, Entwicklungen nicht einfach hinzunehmen und sich vor allem nicht von der Vergangenheit einholen zu lassen wird in einer eher dunklen Atmosphäre passend untergebracht.

Fazit

7
Wertung

„Tumult“ ist nichts, was man vorher noch nicht gehört hat. Herbert Grönemeyer schafft es aber mal wieder, ein komplettes Album genauso klingen zu lassen, wie man es von ihm erwartet und besticht dabei durch gefühlvolle, aber auch kritische Worte. Voraussetzung für die Anerkennung des Werks ist natürlich, dass man sich mit der doch ungewöhnlichen Art Grönemeyers identifiziert und diese schlichtweg mag. Auch „Tumult“ wird Erfolg haben, dieses Rad dreht sich weiter und weiter...

Mark Schneider
6.5
Wertung

Am polarisierenden Dasein Grönemeyers wird „Tumult“ ebenso wenig ändern, wie an seinem unangefochtenen Status als generationenverbindende Institution. Die Wertung fußt vordergründig auf dem Mut, zu streitbaren Themen Stellung zu beziehen. Sein Stil stagniert in der Gewöhnungsbedürftigkeit.

Marco Kampe