Reviews

Heisskalt - Vom Wissen und Wollen

Es war das frühe Jahr 2013, als vier Jungs aus Stuttgart mit ihrer Single „Hallo“ einen kleinen Szenehit landeten. Der Song strotzte nur so vor Energie, ließ niemanden stillstehen und war einfach verdammt catchy. Jetzt, dreieinhalb Jahre danach, veröffentlicht ebenjene Band mit dem Namen „Heisskalt“ ihr nunmehr zweites Album – und zeigt damit, wie sehr der verworrene Bandname zu ihnen passt.

Mit dem gefälligen Partyrock ihrer ersten EP hat „Vom Wissen und Wollen“ nur noch entfernt zu tun. Stattdessen ist das neue Werk sehr viel tiefgründiger, komplexer und facettenreicher geworden. Das ist keine Musik mehr, mit der man im Sommer mit voll aufgedrehten Boxen im Cabrio der Sonne entgegenfährt. Aber das ist gut. Verdammt gut.

Wie beschreibt man eine Platte, bei der jeder einzelne Song so eigenständig und vielfältig ist, dass es unmöglich ist, einen gemeinsamen Konsens zu finden? Vielleicht ist genau das der springende Punkt. „Vom Wissen und Wollen“ besticht vor allem mit seiner überragenden Variabilität. Kompromisslos hart aneinandergereihte Riffs wie im Opener „Euphoria“. Träumerische Schwärmereien wie in „Apnoe“. Monotoner, Herzpochen-verursachender Sprechgesang wie in „Angst hab“. Sarkastisch anmutender Pop im „Lied über Nichts“. Mit „Papierlunge“ ein Song, der fast acht Minuten lang eine Klangwelt aufbaut und wieder zusammenfallen lässt. Schweißtreibende Rhythmuswechsel in „Tanz, Tanz“. Und diese quälend schmerzhaften Bewegungen in „Absorber“, die sich schließlich in kreischend lang gezogene Gitarrentöne entladen, die klingen, als wäre gerade im Atomkraftwerk die höchste Alarmstufe ausgebrochen.

Trotz aller Individualität eint alle Songs aber eine Eigenschaft: Eine dichte, packende Atmosphäre. Einmal eingetaucht, fällt es schwer sich der Welt des Albums zu entziehen. So klischeebehaftet das klingen mag, aber „Vom Wissen und Wollen“ ist wie eine Droge: Zuerst probiert man ein wenig, genießt es, aber weiß noch gar nicht, was genau da eigentlich passiert. Man gibt dem Ganzen eine zweite Chance, verliert sich immer mehr in einer anderen, nicht weltlichen Dimension. Und irgendwann ist man so sehr in diesem Kosmos gefangen, dass man nicht mehr ohne kann.

Die Lyrik der Stuttgarter Band verleiht der ohnehin schon komplexen Musik noch eine zusätzliche Tiefe. Verstrickt in zahlreichen Metaphern zeugt die Poesie der Texte von ungeahnter Schönheit und Anmut. Der Grundtenor bewegt sich zwischen wallender Liebe, traumgleicher Melancholie, nachdenklicher Philosophie und verzweifelten Schmerzen. Bis man aber all diese Geschichten durchblickt hat, wird das Album einige Durchläufe brauchen. Dann aber entfaltet es sich in voller Pracht.

Heisskalts neuester Streich ist ihr bisher größter. Ein Werk, das mit Vielschichtigkeit und Diversität begeistert. Das sowohl rocken als auch innehalten kann. Das gleichermaßen neue Innovationen einführt und alte Stärken in nie dagewesener Kraft präsentiert. Das eine faszinierende, verschachtelte Klangwelt mit komplexer Lyrik vereint. Der Trip in das Universum „Vom Wissen und Wollen“ ist definitiv kein leichter. Aber eine unvergessliche Erfahrung für jeden, der sich darauf einlässt.