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Grundhass und „Wenig Los“: Viel los!

Es gibt sie eben doch noch: Debütalben, die in der Lage sind, unerwartet Erwartungen zu erfüllen. Grundhass und „Wenig Los“ ist ein wunderschönes Beispiel, wie Punkrock auch mit Akustikgitarren und Popsongs Hand in Hand gehen kann.

Dafür, dass das erste Album von Grundhass erst im Jahr 2021 das Licht der Welt erblickt, ist der gebürtige Sauerländer fast schon ein alter Hase im Geschäft. Seit 2013 spielte er über 100 Konzerte zwischen kleinster Bühne, Festivalstage und Supportacts für Bands wie Montreal oder Frank Turner. 2020 erschien „Zusammen kaputt“ als erster Vorbote für „Wenig Los“ und zeigte die musikalische Perspektive des Künstlers auf. Ein eher melodischer Titel mit Akustikgitarre und von Gefühlsduselei durchtränktem Text mit dem Versprechen an eine gemeinsame Zukunft mit wem auch immer. Das spiegelt zwar nicht die gesamte Bandbreite des Albums wider, machte aber bereits im letzten Jahr großen Spaß.

Startet man „Wenig Los“ von Beginn an, macht Grundhass sofort die Wurzeln seines Gedankenguts deutlich: „Diggi gib Kohle“ fordert eine gerechtere Verteilung von Vermögenswerten, „Dorfpunks“ zeigt das Leben zwischen Busbahnhof, Alditüte, Dosenbier, schlechtem Benehmen sowie übermäßigem Alkoholkonsum und greift in unter drei Minuten Spieldauer alle Vorurteile gegenüber dem am Busbahnhof sitzenden Punk mit Dosenbier auf.

 

Grundhass‘ Vergangenheit in der sauerländischen Provinz verarbeitet er im Titel „Schützenfest der Ahnungslosen“. Der Titel hält den Strukturen und Gedanken in den Dörfern dieser Republik den Spiegel vor. Es geht um vorgetäuschte Nettigkeiten bei gleichzeitiger Abneigung, das Zerreißen von Mäulern und Tratschen von Gerüchten und solange beim Schützenfest die Fahne weht, wird genauso ahnungslos von Heimat und Stolz philosophiert. Wie man aussieht oder was man macht ist, entgegen den Zuständen in seiner Wahlheimat Berlin, niemandem egal und wer weder Frau noch Mann ist (oder sein will) hat ein gewaltiges Problem: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.

Das sind nur wenige Beispiele der breiten Palette an abgearbeiteten Themen. Zudem ist auf „Wenig Los“ zum Beispiel noch Platz für Selbstaufgabe, Abneigung mitsamt Gewaltfantasien gegenüber Fernsehmoderatoren („Jauchegrube“) oder dem selbsterklärenden Titel „Flixbus“, der mit auf die lustigen Reisen im grünen Bus nimmt.  Die im Gegensatz zur Themenwahl konstante musikalische Mischung aus Punkrock und Pop darf an vielen Stellen sogar in den Vergleich zu den ganz Großen á la Farin Urlaub gestellt werden. Dass „Andersrum“ nach Green Day klingt, verbuchen wir einfach mal als beabsichtigte Hommage. Die Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit erledigt den Rest.

 

Fazit

8
Wertung

Das Leben auf dem Dorf und die detailgetreue Beschreibung der Vorgänge in grünen Bussen beziehungsweise des „Komforts“ der damit verbundenen Reisen. Selten habe ich mich so verstanden gefühlt.

Mark Schneider