Reviews

Grey Daze und „Amends“: Die Anfänge einer Legende

Ende 2019 wurde bekannt gegeben, dass Grey Daze kurz vor dem Tod ihres Gründungsmitglieds Chester Bennington begonnen hatten, alte Tracks neu aufzunehmen und ein Album sowie ein Reunion-Konzert zu planen. „Amends“ erscheint nun fast drei Jahre später im Gedenken an den mit Linkin Park weltweit bekannt gewordenen Sänger.

Da Grey Daze den meisten kein Begriff sein wird und die wenigsten von der Band gehört haben geschweige denn sie mit Legende Chester Bennington in Verbindung bringen werden, hier eine kurze Einführung mit den wichtigsten Eckdaten: Grey Daze war Chesters erste Band, die im Jahr 1993 durch Drummer Sean Dowdell und Bassist Jonathan Krause gegründet wurde und mit Bennington und Gitarrist Steve Mitchell komplettiert wurde. Es folgten personelle Veränderungen und bereits 1997 veröffentlichten Grey Daze ihr zweites und letztes Album „… No Sun Today“. 2017 begannen Chester Bennington, Drummer Dowdell sowie Jason Barnes und Mace Beyers an einer neuen Veröffentlichung und der Organisation eines Konzerts zu arbeiten. Barnes war nach der Veröffentlichung des Debütalbums „Wake Me“ wieder ausgestiegen, Beyers ersetzte 1995 Krause. Die recht einfache Message hinter diesen komplizierten Ausführungen: Die Reunion sollte unter dem Strich mit Beteiligten aus der aktiven Zeit der Band stattfinden. Die Vier begannen mit der Neuaufnahme der alten Songs, um diesen Titeln die Produktion zu schenken, die sie laut Bennington schon vor über 20 Jahren verdient gehabt hätten. Am 23. September 2017 sollte die Wiedervereinigung in Form eines Konzerts stattfinden, zwei Monate vorher nahm sich Chester Bennington das Leben.

Seither arbeiteten Grey Daze an „Amends“. Das Album enthält die neu aufgenommenen Vocals von Chester, die Songs wurden nach seinem Tod zum Teil neu geschrieben und remastered. Diese Modernität hört man der Platte aufgrund einer klaren und zeitgemäßen Produktion an. Die Beats klingen teils elektronisch und psychedelisch, die Titel schlagen eher das ruhigere Fahrwasser auf dem großen Meer der Rockmusik ein und sind musikalisch oft weit weg vom preschenden Nu Metal von Linkin Park. Das Album bekommt dadurch eine nachdenkliche und emotionale Stimmung und verfehlt seine Wirkung als Andenken an einen von uns gegangenen, großen Musiker keineswegs. Dennoch schießen einem aufgrund der unverwechselbaren Stimme und den an manchen Stellen nicht zu kurz kommenden E-Gitarren sowie ansatzweise von härterem angehauchten Passagen natürlich immer wieder Linkin Park in den Kopf.  Dass es sich auf "Amends" um einige der letzten getätigten Aufnahmen Benningtons handelt, schmerzt dabei umso mehr.

 

Bereits mit dem ersten Video „What’s In The Eye“ lieferte die Band bereits im Januar 2020 einen Vorgeschmack auf das, was nun Realität geworden ist: Ein Album im Gedenken an den Linkin Park-Frontmann und seine erste Station im Musikerleben. Im Video spiegeln sich Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Chester Bennington und den ersten Grey-Daze-Auftritten in einem weit aufgerissenen Auge. Die Texte, beispielsweise von „Sometimes“, wurden teilweise vom achtzehnjährigen Chester geschrieben und geben somit einen unverblümten Einblick ins schmerzerfüllte Seelenleben des jungen Mannes. Andere Texte behandeln weit in der Vergangenheit liegende, einschlägige Erfahrungen im Leben des Sängers. Im Alter von 15 Jahren wurde Chester in der Schule verprügelt. Dieser Geschichte widmet sich „Sickness“.  

Durch solche Aspekte bekommt das Album absolutes Gänsehautpotenzial und holt Chester für etwa 40 Minuten zurück in die Gegenwart. Die Songs seiner ersten Band in einem komplett neuen Gewand, jedoch gesungen von ihm selbst. Eine Blume auf schwarzem Grund ziert das Albumcover und die daran orientierten Covers der Singles unterstreichen den Charakter dieser Veröffentlichung als Form des Gedenkens.

„Ich glaube, Chester wäre ziemlich stolz auf das, was wir geleistet haben“ – Sean Dowdell im Gespräch mit dem Kerrang!-Magazin.

 

Fazit

7.5
Wertung

Grey Daze lassen Chester Benningtons Musik, Ideen und vor allem Gefühle post mortem neu aufleben. Das Album huldigt eine Legende und schenkt den Menschen auch zweieinhalb Jahre nach seinem Tod ein weiteres und größtenteils unbekanntes Kapitel der Geschichte des Sängers.

Mark Schneider