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Good Tiger und „We Will All Be Gone“: Metalle im Vergleich

Wer bei „We Will Be All Be Gone“ auf ein durchschlagendes Metal-Epos hofft, könnte enttäuscht werden. Wem hingegen eine gezogene Handbremse kein Dorn im Auge ist, dem kann ein Durchlauf nahegelegt werden.

Wohin die Reise für Good Tiger geht, ist nach ihrer bislang kurzen Laufbahn nur schwer absehbar. Der klassische Headbanger wird mit dem vorliegenden Material schwer zu überzeugen sein, vielmehr drängen sich hartnäckig Vergleiche mit Genregrößen des melodischen Metalcore (darf man Bring Me The Horizon in diesem Kontext noch nennen?) auf. Dabei kommt Sänger Elliot Coleman in Gänze ohne Screaming aus, was einen zentralen Unterschied zu dem Vorgängerwerk „A Head Full Of Moonlight“ darstellt. Süße Melodien und leicht verdauliche Vocals scheinen das Rezept zu sein.

Haben Good Tiger eine unbestreitbare Stärke vorzuweisen, so ist es Agilität. Verantwortlich ist Alex Rüdinger, seinerseits Vollprofi am Schlagzeug. Er tritt den Beweis an, dass sein Instrument mehr ist als ein notwendiger Taktgeber. Ausnahmslos jedem (!) Song verleiht er einen eigenen Stempel. „Cherry Lemon“ wäre ohne das Kreativitätsfeuerwerk aus dem Hintergrund ein maximal durchschnittliches Interlude. Übung besitzt er nach der Aufnahme zahlreicher Studioalben mit verschiedenen Bands ohne Frage genug und präsentiert sie mit hörbarem Vergnügen.

Um die Tatsache, dass eine klassische Rockband aus drei bis vier Mitgliedern besteht, kommen Good Tiger dennoch nicht umhin. Der Kern der 36 Minuten Spielzeit ist stets eine solide Basis. Songs wie „Float on“ (starker Anfang!) oder „Blueshift“ schlagen sich wacker, können den Fisch allerdings nicht vom Teller ziehen. Da muss mehr kommen als munteres Trommeln. Zuweilen entsteht der Eindruck, dass eine tiefere, rauchigere Gesangsspur besser funktionieren würde. Der Refrain von „Just Shy“ schrammt nah an der Nerv-Grenze vorbei. „I'll Finish This Book Later“ beschließt das neue Kapitel - ruhiges Fahrwasser, zwischen Powerballade und einem Wink in Richtung Stadionatmosphäre. Das hat man an anderer Stelle bereits überzeugender vernommen.

Man stelle sich abschließend eine Legierung aus einem Leicht- und einem Schwermetall vor: Der Gesang steht dabei sinnbildlich für das weniger wertige, weithin verfügbare Leichtmetall, während das Drumming dem Iridium der Schwermetalle gleichkommt: eine Seltenheit und absolut hochwertig. In der Gesamtheit überwiegt (leider) ersteres.

Fazit

5.1
Wertung

Meine Erwartungshaltung an eine „Supergroup“ wird nur auf einer Position erfüllt. Good Tiger kann man dennoch im Auge behalten, schließlich war es häufig das dritte Album einer Band, welches den Stil nachhaltig manifestiert hat. Abwarten!

Marco Kampe