Gone Is Gone – Echolocation

Unter „Echolocation“, zu Deutsch „Echoortung“, verstehen wir eine aus dem Tierreich stammende Fähigkeit, mit der die Umgebung mittels Schallwellen erkannt werden kann. Eine Fledermaus kann so zum Beispiel Signale aussenden, und durch das zurückprallende Echo die Welt um sich herum entdecken.

Was würde das geflügelte Wesen wohl sehen, wenn es auf die Schallwellen von Gone Is Gones Debutalbum treffen würde? Kaum auszumalen, welch heroisch anmutenden Landschaften das Tier wohl durchqueren würde – denn „Echolocation“ ist ein vielschichtiges, betörendes und faszinierendes Werk geworden.

Der Opener „Sentient“ beginnt inmitten einer weitläufigen Talsohle aus butterweichen Streichern und der geheimnisvoll darüber wallenden Stimme von Sänger Troy Sanders. Zögerlich wagen wir uns voran und entdecken einige kahle Bäume aus andächtig gezupften Gitarrenklängen. Ein kleines Lebenszeichen in der breiten Prärie, während uns die beißenden Sonnenstrahlen fortwährend im Nacken sitzen. Wir blicken auf und ein Schauer fährt uns über den Rücken, als wir zum ersten Mal die gewaltige Berglandschaft am Rande des Tals erkennen. Mit gewaltig hallenden Gitarrenschlägen bäumen sich die steinernen Kolosse wie ein Heer aus Riesen vor uns auf: Beängstigend und ehrfurchtsvoll, und doch ein wunderschönes Naturschauspiel.

Unsere Reise führt uns weiter durch insgesamt 12 akustische Welten, gefüllt mit den facettenreichen Landschaften von progressivem Heavy Rock. In „Dublin“ schleichen wir leise durch Höhlen aus minimalistisch verklingenden Melodien und dem stets zurückhaltenden, aber immer präzise und effektiv eingesetzten Schlagzeug von Tony Hajjar. In „Ornament“ erklimmen wir den Gipfel großer Harmonien und brüllen alle Luft aus unseren Lungen, als wir den Aufstieg endlich geschafft haben. In „Slow Awakening“ trägt uns unsere letzte Kraft durch die brüllende Hitze, während uns quälend langsam schnarrende Dissonanzen in Tool-Manier durch den Kopf schallen. Diese münden schließlich in „Fast Awakening“ in ungewöhnlich rasende Rhythmen und der hoffnungsvollen Erkenntnis, die rettende Wasserquelle doch noch erreichen zu können. Der finale Titeltrack beschließt unsere Odyssee schließlich mit fast orchestral anmutenden Riffs und der triumphalen Ankunft in unserer Heimat. Wir sind abgekämpft, müde – und doch bezaubert von den unglaublichen Naturgewalten, deren Zeuge wir jüngst wurden.

Gone Is Gone startete ursprünglich als Filmmusik-Projekt – ein Umstand, der „Echolocation“ vielleicht seine unheimliche Faszination verleiht. Auch ohne ein Geschehen auf dem Monitor verfolgen zu können, erscheinen die sphärisch wummernden Songs der Platte ungeheuer bildgewaltig. Das Echo dieses geheimnisvollen Debuts wird auch nach dem Ende der Reise in unseren Köpfen nachhallen und uns daran erinnern, in wie vielen Dimensionen Musik uns packen kann.