Goldroger und “Diskman Antishock III”: Sukzessive Verwüstung

Goldroger vollendet kurz vor Jahreswechsel mit dem dritten Teil seine “Diskman-Antishock”-Trilogie. Nach den beiden durchaus gelungenen Vorgängern liegen die Erwartungen hoch. Wo sortiert sich dieses Finale ein, zwischen “Die Rückkehr des Königs” und “Matrix Revolutions”?

Goldroger gehört nach wie vor zu den spannendsten Künstler:innen im deutschen Indie-Rap-Kosmos. Mit stets ambitionierten und durchdachten Songs überzeugte er schon auf dem psychedelisch-nostalgischen “Avrakadavra”. Mit dem 2019 erschienen ersten Teil der “Diskman”-Reihe ließ Goldie den Sound der Zeit in seine Musik Einzug halten, ohne dabei seine Einzigartigkeit aufzugeben. “Diskman Antishock III” ist wegen der engen Verbindung zu den Vorgängeralben schwer für sich genommen zu betrachten, bildet aber doch eine kohärente Weiterentwicklung ab.

Wenn Goldroger Konzerte spielt, begrüßt und verabschiedet der Rapper das Publikum oft mit den Worten “wir sind (bzw. waren) Goldroger.” Wir, damit meint der Wahlkölner neben sich noch sein Stammproduzenten-Duo Moritz und Hendrik, a.k.a. Dienst & Schulter. Die haben damals für “Avrakadavra” die Instrumentals gebaut und mit ihren sphärischen Gitarrenwänden den Vibe des Albums mindestens genauso sehr geprägt wie Goldies Popkulturanspielungen und Skateparkmetaphern. Dienst & Schulter sind also quasi Synonym mit Goldroger. Auch auf “Diskman Antishock III” stammen die Beats wieder aus ihrer Feder. Und was für eine Feder das ist. Ob wabernde Klaustrophobie auf “Brandlöcher”, Boom-Bap-Bombastik auf “King Bob Omb” oder all out Riff-Gewitter auf “Rave”. Die beiden setzen den auf “DAI” und “DAII” etablierten Sound fort, lassen hier und da aber ein paar mehr Gitarren durchklingen als das noch auf den Vorgängern der Fall war.

Die ganz große Stärke der “Diskman”-Reihe im Vergleich zu “Avrakadavra” ist die Unmittelbarkeit der Texte. Teil drei des Zyklus schwingt sich auf diesem Gebiet zu neuen Höhen auf. Schon der Verlauf der Albumcover zeigt zuerst den mutmaßlichen Diskman, bedrohlich mit Motorradhelm und Katana, dann mit überraschend jugendlichem Gesicht auf dem Cover des zweiten Teils, und nun den Protagonisten (unverkennbar Goldroger selbst) im Jugendalter, ohne Rüstung und Waffen. Mit jeder neuen Iteration legt der Rapper mehr von seinem Inneren frei.

Vorbei der jugendliche Zynismus von “Avrakadavra” mit seinen Geschichten von verratenen Idealen und der unbeschwerten Zeit auf dem Deck. Wir erfahren von Sucht (“Brandlöcher”), von Liebe inklusive dazugehörigem Kummer (“Odonien”, “Frag mich wie”, “Guck auf die Uhr”) und von den Selbstzweifeln des 31-Jährigen (“Mittelstreifen”). Lediglich die beiden Banger “Rave” und “King Bob Omb” lösen sich aus dem Korsett der Melancholie und bieten auf diese Weise Raum für eine emotionale Verschnaufpause. Es scheint fast so, als habe Goldie den Katalysator der ersten beiden “Diskman”-Teile gebraucht, um sich schließlich auf dem dritten Teil emotional so nackt zu machen wie nie vorher. Es reicht vielleicht nicht ganz für die Krönung von Aragorn, aber mit die “Die Rückkehr der Jedi-Ritter” kann es “Diskman Antishock III” ohne Probleme aufnehmen.

Fazit

7.5
Wertung

“Diskman Antishock III” ist der emotionale Höhepunkt und ein mehr als würdiger Abschluss der Trilogie, auch wenn der Sound der Platte für mich nicht ganz an die zeitlose Genialität von “Avrakadavra” heranreichen kann.

Kai Weingärtner