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Go Go Gazelle und "Instinkte": Ready, Set, Go Go!

"Instinkte" heißt der etwa eineinhalb Jahre später erscheinende Nachfolger des Debütalbums "Flaschenpost an morgen". Und den kann man instinktiv nur großartig finden. Hier gibt es die Gründe, warum das so ist und die Augsburger Band Go Go Gazelle spätestens im Jahr 2022 die Aufmerksamkeit der Szene verdient hat.

"Indie-Punkrock-Trio": So kündigten Promotexte die Schöpfer des im Jahr 2020 veröffentlichten Debütalbums an. Aufmerksamkeit erregte bei Go Go Gazelle nicht nur eine stimmliche Ähnlichkeit zur Band Massendefekt, sondern auch ein Feature von deren Sänger Sebi. Zufall? Verbuchen wir es eher als gelungenes Zusammenspiel und einen guten Einstieg. Was Go Go Gazelle in ihrer Anfangszeit besonders hart erwischt ist die Tatsache, dass auch Album Nummer zwei in der Pandemie veröffentlicht wird, somit beide bisherigen Alben dieses Schicksal teilen und die aktuell anstehenden Konzerte, teilweise als Support für Montreal, enttäuschenderweise vorerst nicht stattfinden können. Ein Grund mehr, sich besonders intensiv der in rosa gehaltenen, zweiten Platte mit dem Dackel auf dem Cover zu widmen. Diese heißt "Instinkte", bringt zwölf neue Stücke der Band mit sich und kündigt sich dieses Mal selbst mit dem Begriff "Songwriterpunkrock" an. Go Go Gazelle, ein Indie-Songwriterpunkrock-Trio aus Augsburg bläst zum Angriff auf die Öffentlichkeit.

Songwriterpunkrock bedeutet für Go Go Gazelle mehr als nur die berüchtigten drei Akkorde und die Inhalte Politik und Alkohol. Was sich Andere gerne stolz auf die Fahne schreiben (und was dort auch wunderbar funktioniert), war für die Augsburger schon im Debütjahr 2020 nicht das Rezept der Wahl. Im Süden der Republik nimmt man das Tempo raus, stimmt die Instrumente und schreibt vielseitige sowie reife Texte über Kunst, Schützenheime und Erkenntnisse. Dabei bleibt die Band jedoch immer eines, und das ist laut. Go Go Gazelle spielen auf "Instinkte" so befreit auf, dass keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass diese Band genau weiß, was sie da macht. Immerhin sammelten ihre Mitglieder bereits vor dem Projekt ihre Erfahrungen in anderen Bands.

Das Album eröffnen die Augsburger mit einer der stärksten Nummern des Tonträgers, "Gesetz der Natur". Hier trifft die dauerhaft präsente Leichtigkeit auf ein Paradebeispiel für den Stil der Band. Der Titel handelt von alltäglichen Problemen, die eine gehaltene Hand beziehungsweise ein gestützter Kopf vergessen machen können. "Bis der Sturm vorbei ist" als zweite Nummer erinnert vom Prinzip her etwas an Montreals "Auf der faulen Haus", nur dass hier nicht gelegen wird, sondern gewollt. Auch dieser Song behandelt insgesamt die Zusammengehörigkeit zweiter Menschen und den gegenseitigen Schutz vor der wahnsinnig schnelllebigen Welt. Das gute an "Instinkte" ist, dass das Album nie langweilig wird. Weder in dem, was es zum Anhören zu bieten hat, noch im bloßen Lesen der Titelliste. Dort lauern fancy Perlen wie "Früher war alles früher", "Schick & Lässig" oder "Saturday Night Fever Schützenheim". Wer durch diese Namen von Tracks nicht neugierig auf mehr ist, war noch nie in einem Schützenheim. Vorzugsweise am Wochenende.

Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass Go Go Gazelle reif für mehr sind. Wer mit einem zweiten Album das Erste so untermauern kann, beweist sein Können zweifellos. Bleibt zu hoffen, dass genug mit dem Punkrock liebäugelnde Menschen über Shows mit Montreal, kleine Festivals oder dieses Album von der Band erfahren. Denn diese Gazelle befindet sich im Vollsprint, so viel ist klar.

Fazit

7.2
Wertung

Versucht mal, jemandem "Früher war alles früher" als neue Massendefekt-Single zu verkaufen. Das kann klappen! Spaß beiseite, Go Go Gazelle sind viel mehr als dieser viel zu oberflächliche Vergleich, der sich auch eher aus der Stimme als der Musik an sich ergeben könnte. Wenn "Flaschenpost an morgen" der Startschuss war, ist "Instinkte" der Mittelspurt. Auf den Zieleinlauf freue ich mich jetzt schon riesig!

Mark Schneider