Friends of Gas und “Kein Wetter”: Mantra und Menthol

Die Münchener Friends of Gas reißen ihre HörerInnen auf “Kein Wetter” in einen nicht enden-wollenden Strudel aus Dissonanz, lyrischer Fragezeichen und unterdrücktem Raucherhusten.

Glaubt man diversen Artikeln aus dem Internet, dann braucht es ungefähr zehntausend Wiederholungen, um eine bestimmte Tätigkeit zu perfektionieren. Wenn das tatsächlich stimmt, wird Friends-of-Gas-Sängerin Nina Walser nach der Tour zu ihrem Album “Kein Wetter” auf einem guten Weg sein, jene Lyrik-Schnipsel, die sie auf den zehn schwindelerregend klaustrophobischen Tracks der Platte ins Mikro krächzt, in jeder erdenklichen Betonung und Aussprache zu meistern. Denn was auf “Kein Wetter” an Wortschatzumfang fehlt, macht die Band mit unnachgiebiger Wiederholung wett. So besteht der zehnminütige finale Track “Selber Keine” beispielsweise lediglich aus den Worten “Wir sind selber keine”, die in jeder nur erdenklichen Zusammenstellung und Aussprache über den Noise-Blizzard aus effektgeschwängerten Gitarren, hypnotischen Bassläufen und kurzatmigen, hektischen Drumbeats gesungen werden. Der Song erzeugt eine wahnsinnig unangenehme Atmosphäre. Man möchte einfach nur verzweifelt schreien: “Keine was denn, verdammt noch mal?!” Die Antwort von Friends of Gas ist eine musikalische, aber keine aufschlussreiche. Statt mehr Text gibt es mehr Gitarren, mehr Distortion und noch mehr Feedback. Friends of Gas wollen keine Fragen beantworten. Sie wollen sie nicht einmal stellen. Sie wollen hypnotisieren.

Jeder einzelne der Tracks wirkt wie ein aggressives Mantra. Apathische Rhythmen werden überlagert von bis zur Unkenntlichkeit verzerrten und frickeligen Gitarrenmelodien, und über allem thronen die Worte von Nina Walser. Worte, so heiser, man möchte ihr ein Salbeibonbon anbieten, bevor man nach der Bedeutung fragt. Worte, die nichts erklären wollen. Worte, die Gefühle vermitteln, nicht indem sie sie bis ins kleinste Detail erklären, sondern indem sie die Zuhörenden fühlen lassen. Ein Hördurchgang durch “Kein Wetter” ist ein unbehaglicher Ritt durch enge Räume, so dicht gefüllt mit Klang, dass man nach jedem Song erstmal Luft schnappen möchte. Das könnte allerdings auch wieder an der sehr heiseren Stimme der Sängerin liegen… In der Tat kann diese auch zwischenzeitlich, gerade in den längeren Songs, etwas anstrengend sein. Vor allem wenn man bereits seit sechs Minuten vergeblich auf die nächste Textzeile wartet, aber stattdessen einfach nur die vorherige wiederholt wird, diesmal aber mit der Betonung auf “sind” anstatt “keine”.

Bei all dieser musikalische Enge überrascht die Platte allerdings immer wieder, indem sie all ihre Noise-Gewalt in eine Corsage aus Bewegungsdrang-induzierenden Riffs verschnürt. So schüttelt man sich zur Musik und bemerkt erst zu spät, wie sich die deprimierenden Songs langsam aber sicher in das eigene Unterbewusstsein bohren. Es ist, als würde man eine Menthol-Zigarette rauchen. Man weiß schon bevor es zu Ende ist, dass man sich damit wahrscheinlich nichts Gutes tut, aber der frische Geschmack übertüncht für den Moment das schroffe Grau darunter. Friends of Gas treffen mit diesem Gefühl einen Nerv, der bei vielen in Zeiten von Social Distancing sowieso schon brach liegt. “Kein Wetter” ist klanggewordene Selbstisolation.

Fazit

6.9
Wertung

"Kein Wetter" trifft hart und da, wo es weh tut. Ein erdrückendes Noisebollwerk, das am eigenen Nervenkostüm kratzt wie ein Kater an einer Sofalehne. Allerdings kann die repititive Natur der Texte bisweilen ermüden.

Kai Weingärtner