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Empowerment und „Bengalo“: Mit Mutationen im Frühstadium

„Also irgendwie ist das ja schon alles ganz cool und so, aber meint ihr nicht, dass da noch ein bisschen der Kick fehlt?“ – „OK, dann machen wir jetzt was ganz Beklopptes.“
Empowerment Bengalo Cover

Das obige imaginäre Gespräch ist in keiner Quelle einwandfrei dokumentiert, „Bengalo“ lässt aber durchaus vermuten, dass dieses so oder so ähnlich im Proberaum der Stuttgarter Empowerment stattgefunden haben könnte. Nur so wäre es irgendwie zu erklären, dass inmitten einer ansonsten recht gleichförmigen Masse von wütenden Hardcore-Auswüchsen eine antifaschistische Trap-Verneigung namens „Mensch ist Mensch“ zu finden ist. So richtig passen will die ins Gesamtkonzept des Albums eigentlich nicht, aber sie sorgt dafür, dass ein ziemlich plötzlicher Weckruf durch den rastlosen Trott dieser Platte weht.

Nicht, dass „Bengalo“ den so unbedingt nötig hätte, denn in den 13 Songs des zweiten Empowerment-Albums bleibt nur wenig Platz für Ruhepole. Nach den besten Regeln der alten Hardcore-Schule wüten sich die Stuttgarter durch Metal-lastige Riffs und Soli, unruhig brodelnde Gitarren-Erdbeben und keifend-antifaschistische Parolen. Ihre Kunst beherrscht die Band dabei zweifellos exzellent – aber die Momente, in denen „Bengalo“ über einen ordentlichen Genre-Beitrag hinausgeht, sind dennoch rar gesät.

Geben tut es diese allerdings. Klasse ist zum Beispiel der unheilvoll lauernde Sprechgesang in „Von Mensch zu Mensch“. Den hatten Parkway Drive in diesem Jahr zwar schon deutlich pompöser inszeniert, die subtil aggressive Komponente funktioniert aber auch in Empowerments deutlich roherer Klangumgebung. „Unsere Generation“ verwendet das großflächige Metal-Gitarrensolo zur Abwechslung mal nicht als krönenden Abschluss eines tosenden Hardcore-Breakouts, sondern leitet den Song mit einem solchen ein. „Unter meiner Haut“ kehrt schließlich noch einmal in Rap-Gefilde zurück, arbeitet diese aber nicht wie vormals als Kontrast ein, sondern verwendet sie als Sahnehäubchen auf einem wüsten Hardcore-Breakdown – was erstaunlich gut funktioniert.

Wichtig an „Bengalo“ ist natürlich vor allem seine Botschaft und antifaschistische Protest-Songs kann und darf es schließlich nie genug geben. Trotzdem: Aus musikalischer Sicht ist die zweite Empowerment-Platte in großen Teilen ein standardisierter Trip. Der ist durchaus ordentlich geraten, den Stuttgartern gelingt aber trotzdem nur ein eher konservativer Beitrag in einem Genre, das gerade innerhalb der Hip-Hop-Szene eigentlich wieder neu erfunden wird.

Fazit

5.2
Wertung

Empowerment versuchen einiges, aber leider nicht genug. „Bengalo“ hat wohl auch nicht unbedingt den Anspruch, ein Genre zu revolutionieren. Aber angesichts einiger interessanter Ansätze der Platte bleibt am Ende der fade Beigeschmack, gerade verschenktem Potential zugehört zu haben.

Jakob Uhlig