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Drei Meter Feldweg und "Durak": Zweieinhalb Meter übrig

Während "Gewinner" im Jahr 2020 durch die Bank weg gefiel, bringt "Durak" leider nur wenige der richtig großen Highlights zustande. Zum Ende hin scheinen "Drei Meter Feldweg" sogar ein wenig die Ideen auszugehen. Doch ein altes Sprichwort sagt: "Es ist nicht alles schlecht, was einen verwirrenden Namen hat." Oder so ähnlich.

Kurzversion der Erklärung des Albumnamens: Durak ist ein russisches Kartenspiel, bei dem ein Spieler verliert und es keinen Gewinner im eigentlichen Sinne gibt. Ob Drei Meter Feldweg hier eine Brücke zum Albumtitel des letzten Albums "Gewinner" schlagen, kann und darf hinein interpretiert werden. Die Platte "Durak" umfasst 13 Titel und ein mit Autotune gespicktes Intro. Auf einem Punkrockalbum. Erster Streitpunkt. Es folgt der Titel "Lagebericht", eine Lobhymne auf die Band á la "Wir sind die besten" von Die Ärzte, die sogar soweit geht, sich als musikalisch besser als diese und die "Hosen" zu bezeichnen. Das ganze hat ein Augenzwinkern, klar, aber spätestens nach der Textzeile "Vielen Dank für die Musik und dass es Drei Meter Feldweg gibt!" denkt jeder, der entsprechende Songs beispielsweise von einer sich gerade auf Jubiläumstour befindlichen Band aus Frankfurt am Main kennt, an eben diese Band. Zweiter Streitpunkt.

Anschließend dürfen sich alle bereits munter streitenden Hörenden dann endlich beruhigen. Der gesamte Block vom dritten Titel "Gib niemals auf" bis hin zu "Briefe an dich" als melancholische Hymne macht nicht nur Spaß und klingt nach feinstem, melodischen Punkrock, sondern beinhaltet gelungene musikalische Ausflüge und wichtige Inhalte. "Gib niemals auf" ist ein klassischer Mutzusprecher, bedient sich jedoch textlich mit Ansage bei Campino, obwohl man doch eigentlich besser ist als dessen Band. Natürlich ebenfalls mit Augenzwinkern, schon klar. "Eine Lovestory" thematisiert nicht nur kritisch wie schnell man durch Gefühle zu anderen Menschen in gefährlichen Kreisen landet, sondern klingt dabei nach gut abgestimmtem Ska. Ein Track, wie ihn Sondaschule als Genrebeispiel in den entsprechenden Abschnitten nicht viel besser hätten umsetzen können. Der Titel klingt dadurch vor allem am Anfang aber auch sehr ähnlich.

"Durak" besteht also bis hierhin aus kleineren Streitpunkten, einem guten Mittelblock und einem "Aber" am Ende. Ja, das Album ist kein schlechtes an sich, im Gegenteil. Ja, Drei Meter Feldweg sind auch im Jahr 2022 in der Lage, die Fans der deutschen Punkmusik mehr als gut zu unterhalten. Aber das Album verliert im Verlauf an Spannung und leitet mit "Unten am Strand" als "obligatorisches Ding", welches sich "auf drei Akkorden ausruht" eine Reihe von Songs ein, die über die Gefühlswelten von Steinen handeln, oberflächlich die Gästeliste einer Hausparty thematisieren oder sich nun einmal obligatorisch auf drei Akkorden ausruhen. Dass "Brauch mich" als Negativbeispiel der Tracklist aus unzähligen Wiederholungen im Refrain besteht, kann als lyrisches Stilmittel, aber auch als Störfaktor empfunden werden. "Kaufen kaufen kaufen" haut dann zum Abschluss nochmal auf Influencerdasein und Konsumverhalten drauf. Das schließt dann doch rund ab.

Fazit

6
Wertung

Für mich persönlich gehen Drei Meter Feldweg mit diesem Album einen halben Meter zurück. "Durak" hat seine Stärken, geht großenteils absolut klar, verliert aber vor allem durch den Beginn und das für mich zu unkreative und klischeebesetzte Ende des Albums an Hörspaß. Unzählige Male Worte zu wiederholen füllt zwar einen Song, kommt bei mir aber nur bedingt gut an.

Mark Schneider
7
Wertung

Ein Album nach einem Kartenspiel zu benennen ist ein gewagter Schritt und ein Hingucker zugleich. Doch ist die Platte gefüllt von hervorragenden politischen Texten, präzise platzierten Bläsern und feinstem Punk. Ein tolles neues Werk, Chapeau!

Jan-Severin Irsch