Die Bullen und "Einigkeit und Recht und Sicherheit": Kontroverse

Es war, ist und bleibt ein Tabuthema: Polizeigewalt. So sollte man es stets mit Vorsicht behandeln. Oder man macht es wie die Electro-Punk-Kombo Die Bullen und schreibt ein Konzeptalbum, das sich der Problematik annimmt und sie gezielt auseinandernimmt. „Einigkeit und Recht und Sicherheit": Eine Kontroverse.

Wir schreiben das Jahr 2009. Der Kenianische Rechtswissenschaftler Githu Muigai berichtet in seiner Funktion als Sonderberichterstatter der UN von Alltagsrassismus in Deutschland und spricht über institutionelle Diskriminierung. Hinzu kommt ein Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte, welches den deutschen Polizeibehörden im Jahr 2013 latenten Rassismus attestiert. Als Beispiel wird der Prozess des „Racial Profiling“ genommen. 2016 kommt auch Amnesty International zu diesem Schluss und attestiert ebenfalls den deutschen Sicherheitsbehörden institutionellen Rassismus. Es gebe laut Generalsekretärin Selmin Çaliskan Hinweise darauf, dass „deutsche Behörden ein Problem haben: Institutionellen Rassismus. Also das Unvermögen, alle Menschen angemessen und professionell zu behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft.“ Außerdem werde „oft das rassistische Motiv einer Tat verkannt...“. Das ist verdammt harter Tobak und es kann einem die Sprache verschlagen. Doch Die Bullen haben ihre Worte zu diesem Thema gefunden.

„Nacht In Dessau“ ist der letzte Track auf „Einigkeit und Recht und Sicherheit“, doch er ist der absolut stärkste. Oury Jalloh war Asylbewerber aus Sierra Leone, der wegen eines Drogendelikts in Dessau in Haft war und in seiner Zelle verbrannt ist. Der Fall wurde kontrovers behandelt, da in der Zelle, in der Jalloh inhaftiert war, drei Jahre zuvor ein Insasse unter ominösen Umständen umgekommen ist. Auch die Ermittlungen zu dem Fall waren von Skandalen und Vertuschungen geprägt. Von diesen erzählen in „Nacht in Dessau“ und führen viele Aussagen rund um den Fall ad Absurdum. Der Track schließt mit einer kurzen Aussage zu dem Fall und zum Thema Institutionellem Rassismus.

Das Thema wird aus einer anderen Sicht in der Ballade „Heiko“ behandelt. Es geht um die Trennung von beruflichem und privatem, quasi Polizist und Mensch. Im besonderen wird das an dem Beispiel von Beamten festgehalten, die zum Vollzug der Abschiebung eingesetzt werden. Wenn du in der Lage bist, im Dienst dein Gewissen auszuschalten, wundere dich nicht, wenn Leute dich privat für ein Arschloch halten.

Der Titeltrack „Einigkeit und Recht und Sicherheit“ prangert hoch ironisch und wahnsinnig unterhaltsam das stete Streben nach Sicherheit an. Gerne auch durch Einschränkung der Freiheit, da es nur durch Sicherheit Freiheit geben könne. Besonders kontrovers wird es in „Wir sind die Gewalt“. So wird quasi die gesamte Polizei als gewaltbereit betitelt. Und so verwerflich die Aussagen auch im ersten Augenblick wirken mögen, da eine grundsätzliche Pauschalisierung auch bei diesem Thema falsch wäre, so muss man sich trotzdem bewusst machen, dass es um Gewaltbereitschaft geht und und nicht um Gewalttätigkeit. Und hier muss man klar trennen. Denn die Bereitschaft besteht ganz zweifelsfrei. Man denke einfach daran was denn passiert, wenn man sich einer Festnahme widersetzt oder bei „Widerstand gegen die Staatsgewalt“. Alles unter dem Vorwand der Pflichterfüllung. Und trotzdem, die Herangehensweise an das Thema hat es in sich.

Die Bullen nehmen sich einer heiklen Thematik an und machen auf „Einigkeit und Recht und Sicherheit“ alles richtig. Sie halten lyrisch die Waage zwischen Florett und Vorschlaghammer, manchmal einfach alles zusammen. Dabei gerät das Musikalische ganz weit in den Hintergrund und wetzt gesangliche Defizite komplett aus.

Fazit

7.2
Wertung

Das Album war eine Mammutaufgabe. Denn es driftet immer wieder stark in Richtung Pauschalisierung, jedoch machen Die Bullen dabei alles richtig und halten sich an Fakten und an kluge Aussagen. Und diese sind dann nicht nur inhaltlich klug, sondern auch in der Art ihrer Formulierung.

Moritz Zelkowicz