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Der Wahnsinn und "Aus Liebe zum System": verrückt, laut, einzigartig

Nicht nur musikalisch, nein, auch besetzungstechnisch trifft der Name dieser Band wie die Faust aufs Auge. In guter alter White-Stripes-Manier treten Der Wahnsinn aus Hamburg nur mit Schlagzeug und Bass auf. Mit „Aus Liebe zum System“ erscheint nun das Debüt - und es ist der Wahnsinn.
Der Wahnsinn aus Liebe zum System Cover

Mit „Werther“ startet die Platte ungewöhnlich rhythmisch für eine Punkrockplatte. Die Einleitung eines jeden Satzes mit „Hey Du“ bleibt sofort im Ohr und verlässt Selbiges auch nicht so schnell. Ein Lied, das geschrieben wurde, um hängen zu bleiben.

Mit „Fleisch“ folgt ein überaus kontroverses Werk. Musikalisch ist es ein hervorragender Punk-Song, auch wieder mit starkem Ohrwurmpotential. Das Lied an sich ist eine überaus unterhaltsame Kritik sowohl an Lebensmittelverschwendung, als auch an Prostitution in Deutschland. Kontrovers wird es mit dem Video, in dem eine leicht bekleidete Frau rohes Fleisch behandelt, sich damit einreibt und nicht zuletzt ein Huhn mit Würstchen penetriert. Bilder, die sich in das Gedächtnis einbrennen. Ziel damit definitiv erreicht.

In „Scha“ wird der Name der Band in Ehren gehalten. Denn es geht vorrangig um Gedanken die man hat, wenn man einfach mal ein bisschen wahnsinnig ist. Ich empfehle in solchen Momenten, dieses Lied ganz laut aufzudrehen.

Doch nun aber zum absoluten Highlight des Albums. „Der Wahnsinn präsentiert eine neue Bewegung: Potentielle Ausländer Gegen Den Untergang Des Aberlandes, kurz PAGUDA“. Paguda ist auch der Titel dieser fantastischen Kritik am deutschen, salonfähig gemachten Rassismus und Pöbeln. Definitiv einer der Songs des Jahres.

Zum Schluss der Platte wird das Tempo noch einmal kräftig angezogen. Mit einem knapp drei-sekündigen Schlagzeugintro, das sofort an „Painkiller“ von Judas Priest erinnert, startet „24/7“. Die Aussage im Refrain „24 Stunden, 7 Tage die Woche mit dir“ klingen zwar mehr wie eine Drohung, allerdings ist der Song zeitlich perfekt abgestimmt: Handgestoppte 2:47 Minuten. Der Closer „Hooligans“ ist wunderbar einfach gestrickt und wie gemacht für den „Mitmachteil“ bei einer Liveshow. Simpler Text, den man perfekt mit dem Publikum im Dialog performen kann. Inhaltlich bleibt da eher weniger hängen, aber auch dieses Gegröle hat größten Ohrwurmcharakter.

Der Wahnsinn legen den Finger nicht in die Wunde, sie streuen auch kein Salz hinein. Es ist eher, als würden sie einen Eimer Säure darüber kippen. Sie ätzen wo sie nur können und haben größten Spaß dabei. Und keine Angst, Der Wahnsinn, bald auch in deiner Stadt.

Fazit

8.2
Wertung

Die Mannen nehmen kein Blatt vor den Mund und liefern Gesellschaftskritik, ohne die geringste Angst davor, anzuecken. Gerne viel mehr davon.

Moritz Zelkowicz