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Dave Hause und „September Haze“: A Daddy sings his lullabies

Dave Hause hatte wohl den mit Abstand besten Grund, die Arbeit an seinem nächsten Longplayer zu verschieben. Denn der 41-jährige und seine Frau werden Zwillinge bekommen. Also nahm Hause die fünf Songs, die den Kern der Platte bilden sollten und machte die „September-Haze“-EP. Ihm, seiner Frau und seinen Zwillingen sei gedankt.

Es hat sich einiges geändert. Der aggressive Punker ist älter und bedächtiger geworden. Kein Vergleich mit der Zeit mit The Loved Ones, auch nicht mit seinem bisher letzten Longplayer „Bury Me In Philly“. „September Haze“ ist eine Akustik-EP geworden. Die erste Assoziation geht Richtung Tony Sly und Joey Cape, ebenfalls zwei „Alt-Punks“, die dann Akustikalben aufgenommen haben. Doch Hause mit diesen beiden zu vergleichen klingt nur solange logisch, bis man die EP gehört hat. Denn während man bei Tony Sly eine neue Seite entdeckt hat, so lebt Dave Hause ohne seine Mermaids eine Seite aus, die man von ihm eigentlich nicht vermutet hätte, die er beim bewussten Hören von „Bury Me In Philly“ aber ganz genau einfängt. Hause strahlt eine Ruhe aus und steht dabei mit beiden Füßen fest auf dem Boden. Doch seine Musik verfängt sich in Träumen und das überträgt sich auf seine Hörerschaft.

Das von Gitarre und partiell mit Piano unterlegte „Steady Now“ ist der melancholische Soundtrack für jedes gebrochene Teenager- und vielleicht auch Erwachsenenherz. Obwohl man im Verlauf auf das Happy End oder die Hoffnung wartet, kommt sie nicht und lässt einen zurück. War „Shaky Jesus“ auf „Bury Me in Philly“ ein schmissiges Bindeglied zwischen Punk und Americana, gibt die langsame und bedächtige Gangart der Akustik-Version dem Song eine andere Bedeutung. War das Original allein durch seinen schnellen und spaßigen Stil eher zynisch und ironisch angelegt, so wirkt der Text in dieser neuen Stimmung plötzlich sehr ernsthaft, beinahe etwas verzweifelt. Ganz großes Tennis!

„Shaky Jesus“ bleibt nicht die einzige Neuinterpretation auf der „September Haze“-EP. Der nächste Song ist keine Komposition von Hause, sondern „Hold Out Your Hand“, ein Smash Hit von Brandi Carlile. Wem bei diesem Song nicht Bilder in Schwarz-Weiß oder zumindest körnigem Sepia vor dem inneren Auge erscheinen, dem ist nicht zu helfen. Auch bei diesem Track hilft die Entschleunigung ganz enorm bei der Neuinterpretation. Denn dadurch verlängern sich kurze Passagen und vermitteln ganz neue Stimmungen, einzelne Akkorde in Moll gehen im Original unter, in der langsameren und allgemein ruhigeren Version sind diese dagegen sehr präsent und vermitteln eine ganz neue Schwere. Es ist so simpel und doch brillant. „Mother's Day“ ist dann schlichtweg der perfekte Abschluss der EP. Denn es lässt Raum für Interpretationen, ob dieser Song jetzt wunderschön oder unglaublich traurig ist. Berühren tut er in jedem Fall. Gitarre und Gesang, mehr braucht Dave Hause nicht, um den Saal zum Schweigen zu bringen.

Dave Hause hat Nathan Gray hiermit den Krieg erklärt. Nachdem dieser die Akustik-Platte des Jahres 2018 kreiert hatte, ist die „September Haze“-EP jetzt schon ein heißer Anwärter für diesen Titel im Jahr 2019. Hoffentlich erinnert man sich daran noch im Dezember. Und Hause hat nicht nur eine wunderbar kitschige EP fabriziert, durch ihre Ruhe eignen sich die Tracks auch hervorragend als Schlaflieder für seine Zwillinge. Herzlichen Glückwunsch, Dave Hause!

Fazit

7.8
Wertung

Das ist einfach schön. Es braucht aber auch nicht viel. Gitarre, ein bisschen Schmalz in die Texte und den richtigen Sänger - und das ist Dave Hause.

Moritz Zelkowicz