Reviews

Casper & Marteria und „1982“: Champions unter sich

Was mit einem Scherz begann, wird nun endlich wahr: ein Kollaborations-Album von Casper und Marteria. Beide haben sich schon gegenseitig gefeatured, aber klappt das auch auf Albumlänge? Und welche Klientel wird dabei wohl bedient?

Zwei Männer, die eine bewegte Geschichte hinter sich haben. Beide haben den Deutschrap auf ihre Weise geprägt. Mit „XOXO“ hat Casper einen Gamechanger in den Ring geworfen, der den deutschen Rap für Indie, Rock und Punk, aber auch für Pop öffnete. Ein authentischer Rapper (das, was Cro nie geschafft hat) blieb der Bielefelder trotzdem. Marteria wiederum hatte es 2010 mit „Zum Glück in die Zukunft“ geschafft, die Szene für vielfältige Themen zu öffnen und der „Mein-Block-Romantik“ zu entfliehen.

Und jetzt also beide in Albumlänge. Es wird auf Authentizität geachtet und das gelingt von Anfang an hervorragend. Der Titeltrack „1982 (Als ob's gestern war)“ ist stilecht mit einem Old-School-Beat unterlegt und verleiht so von vornherein ein Gefühl der Nostalgie. Und so erzählen beide von ihrer Vergangenheit. Casper erzählt, wie er als Kind aus den USA nach Deutschland gezogen ist, genauer nach Ost-Westfahlen. Marteria berichtet von seinem Aufwachsen auf rauem Pflaster in Rostock, als jüngstes Kind seiner alleinerziehenden Mutter.

Was sich durch das Album zieht sind Bezüge auf vergangene Größen, besonders aus Musik und Sport. Es handelt sich, besonders bei den Sportlern, um Helden, denen heutzutage vielleicht viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Auch ein Thema in „Champion Sound“. Dieser Track ist gleich eines der Highlights der Platte. Der Beat ist wie schon in „1982“ sehr Bass-lastig mit überraschend wenig High-Hat-Spuren, das fällt durchaus positiv auf. Doch auch Message und Text passen einfach wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. Zwar gibt es viele Lieder darüber, dass du alles erreichen kannst, egal wo du herkommst, doch schaffen es diese meist nicht über das Niveau von Glückskeksen oder Kalendersprüchen. Das ist hier absolut nicht der Fall. Denn, auch wenn es absolut eklig und anbiedernd klingt, der Text ist von zweien, die es geschafft haben. Gepaart mit der nötigen Spur Selbstbewusstsein, ist dieser Track dann einfach sensationell. Und bitte, wer die FC-St.-Pauli-Legende Walter Frosch als Boss anerkennt, der kann eigentlich gar nicht verkehrt sein.

Aus diesem recht ehrlichen Anfang entwickelt sich der Stil allerdings in eine gänzlich andere Richtung. Die High-Hat-Lines sind wieder da, diese unterlegen den leicht dissonanten Leit-Beat. Mit Worten malen Casper und Marteria in „Willkommen in der Vorstadt“ dann ein sehr dunkles und düsteres Bild mit Worten von der Vorstadt. Allerdings ist das alles im Endeffekt gar nicht so düster und gefährlich wie es klingt. Denn beschrieben wird eigentlich nur das Leben von vielen Jugendlichen in Orten, die keine Clubs oder Bars haben, wo man sich eben an den Orten trifft, die so da sind, wenn man sich zum Trinken nicht zu Hause treffen will. Abgesehen von ein paar gestreuten Phrasen wie „Niemand hört dich schreien!“ klingt der Song ein wenig nach heißer Luft. Eines muss man Casper und Marteria aber lassen, ihr Gespür für Stimmung ist einfach sehr gut. Denn mit dem Beat und dem Flow der beiden entsteht eine sehr drückende und düstere Stimmung.

Es zeigt sich, dass man sich nicht wirklich sicher war, in welche Richtung das Album gehen sollte. Und so hat man einen recht eleganten Zwischenweg gefunden: einfach von allem ein bisschen. Der beschwingte, auch für eine breitere Masse kompatible Einstieg mit „1982“ und „Champion Sound“. Dann die intensiveren, manch einer möchte sagen „Assi-Rap“-Tracks, wie „Willkommen in der Vorstadt“ oder „Adrenalin“. Die sehr ansprechende Symbiose aus diesen beiden Kategorien ist dann „Supernova“. Mit „Chardonnay und Purple Haze“ zwängt sich noch ein kleiner Audio gewordener Kiffertrip mit auf die Platte. „Denk an dich“ und „Absturz“ gehen dann am ehesten in die Richtung deeper Tracks, was passend ist, denn Casper ist und bleibt der ungekrönte König solcher Songs und der romantischer Rap-Texte.

Den Abschluss bestreiten die beiden mit „2018 (Gratulation)“, der wie ein dezent erhobener Mittelfinger an alle Zweifler und Nörgler funktioniert. Nicht unbedingt ein Track über den Weg nach oben, sondern eher über das Ankommen. Und irgendwie schaffen es die beiden hier, nicht nervig arrogant und hochnäsig zu klingen. Mit dem entspannten Beat ist das hier der würdige Abschluss von „1982“.

Es gab definitiv schon ausgewogenere Alben als dieses, trotzdem machen Casper und Marteria hier so viel mehr besser als schlecht. Wenn sich zwei individuell hervorragende Musiker zusammentun, dann heißt das nicht zwangsläufig, dass sie auch ihre Stärken präsentieren, doch diese beiden haben es richtig gemacht. Und so schafft es „1982“, sich mit seiner extravaganten Tracklist abzuheben und zu etwas Größerem zu werden.

Fazit

7.3
Wertung

Zwei Rapper, die sich einerseits sehr ähnlich sind, andererseits aber auch sehr unterschiedlich. Casper und Marteria ergänzen sich auf „1982“ unglaublich gut und ich hoffe sehr, dass die beiden weiter zusammenarbeiten, denn auch wenn das Album sehr gut war, ist da definitiv noch unausgeschöpftes Potential.

Moritz Zelkowicz
7
Wertung

Zu viel Hype um zu wenig – auch wenn diese frische Symbiose passt wie der musikalische Arsch auf Eimer. Jeder Beat, jede musikalisch typische Nuance beider Künstler greift hier geölt ineinander und doch: Die Highlights wurden bereits im Vorfeld veröffentlicht und statt einer schlichten Verschmelzung der Talente hätte ich mehr Experimente erhofft.

Miriam Rhein