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Capitano und „Hi!“: Independent Pop Extravaganza

Immer häufiger definieren Bands ihren Sound durch eigene Genre-Neuschöpfungen. Capitano hätten es mit ihrer Wahl nicht besser treffen können und erleuchten das Indie-Firmament mit einer Mischung aus Musik, Kunst und Entertainment.
Capitano Hi! Cover

So viel ist sicher: Capitano sind anders! Ihnen deshalb einen eigentümlichen Sound zuzuschreiben, wirkt immer noch zu kurz gegriffen und vermag nicht so recht zu beschreiben, was die Band mit dem schillernden Paradiesvogel da eigentlich bewerkstelligt. Im Netz kursieren Vergleiche mit David Bowie, Turbonegro, Queens Of The Stone Age, Marilyn Manson und Lady Gaga, um nur einige Aspekte der skurrilen Mischung aufzuzählen. Kein Wunder, dass es unglaublich schwerfällt, das Hörerlebnis in Worte zu fassen. Capitano strotzen vor Eigenartigkeit und Kreativität und folgen dabei keinem bestimmten Sound. Die Mixtur verschiedenster Einflüsse klingt intuitiv und notwendig, so als wäre es längst an der Zeit, die Musik ihrer Genre-Schubladen zu entledigen.

Nicht einmal innerhalb einzelner Songs können sich die Musiker auf eine Stimmung beschränken und erzeugen flimmernde Übergänge zwischen Classic und Glam Rock, Swing, Punk, Electro, Blues, Flamenco, Indie und Pop: Independent Pop Extravanganza nennen sie es selbst.

Der Gesang von John Who!?, der sowohl auf der Bühne als auch in den Musikvideos mit Federmaske und anderen bunten Accessoires aufwartet, erinnert tatsächlich an eine eigenwillige Mischung aus Josh Homme und Matthew Bellamy und erscheint dabei genauso wandelbar und ambivalent wie der gesamte Capitano-Sound. Während der dynamische Titel „Good Times (For Bad Habits)“ mit einem wuchtigen Schlagzeug, kreischenden Gitarrenriffs und einer melodisch stark ausgearbeiteten Bassline die Platte eröffnet, erklingen beispielsweise in „Dive“ vereinzelt Dance-Beats, dramatischer Gesang, ein Kinderchor, hypnotisch-psychodelische Arrangements und rhythmische Brüche.

Die Lead-Single „Gypsy On A Leash“ thematisiert den Grundgedanken des Debüt-Albums und handelt vom Ausloten des eigenen Selbst inmitten von Stereotypen, Maskeraden und vermeintlichen Idealen. Das Musik-Video zum Song wird zum audiovisuellen Erlebnis in drei Akten und zeichnet ein kunstvolles, wenn auch bizarres, Bild der erstrebenswerten Freiheit fernab von Konventionen und selbstauferlegten Zwängen.

Wer die exzentrisch angehauchte Performance von Capitano live erleben möchte, kann die im Februar stattfindenden Konzerte in Frankfurt, Berlin, Hamburg oder Köln besuchen – es dürfte sich lohnen!

Fazit

8
Wertung

Capitano sind extravagant, tanzbar und voll spannender Ambivalenzen. Wer sich gern in neue musikalische Gefilde begibt, ist hier genau richtig und wird sich kaum satthören können.

Sarah Ebert