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Blut Hirn Schranke - s/t

Den 25. November 2016 hatten sicherlich nicht wenige Hardcorefreunde in Deutschland dick im Kalender markiert: Blut Hirn Schranke ist wohl eine der vielversprechendsten Newcomerbands im Hardcore und haben nach einer größeren EP und einer Umbesetzung ihr Debütalbum veröffentlicht. Die Erwartungen waren hoch und eines sei von Beginn an gleich gesagt: Sie wurden definitiv erfüllt!

Das erste Album der Düsseldorfer dreht sich um Menschen. Menschen als abstraktes Gebilde, als Humankapital in einem rücksichtslosen System, welches Individuen demütigt, deklassiert und als Ressource darstellt. Menschen, die sich durch ständige Existenzangst und Gentrifizierung ständig anpassen, unterwerfen und demütigen müssen. „Oben auf“ legt gleich fulminant los und zeichnet sich durch harte Riffs und scharfe Vocals aus. Was gleich auffällt: keine übertrieben Breakdowns sind notwendig um im Song die Akzente zu setzen. BHS zeigen dafür ihre handwerklichen Fähigkeiten an den Saiten und den Drums und prügeln sich abwechslungsreich durch die ersten 3 Minuten der Scheibe. Sänger Max geht gleich mal mit karrieregeilen, rücksichtslosen Menschen ins Gericht und schreit sich ordentlich warm. „Vorwärts nimmer“ lässt den Hörer in das Gedankenkonstrukt eines extrem verzweifelten Menschen blicken: Durch eine unbarmherzige, harte Vergangenheit geprägt traut er sich gar nicht, Sehnsüchte zu entwickeln oder Spaß zu haben, aus Angst wieder etwas zu verlieren. Unglaublich herzzerreißend schreit Max dabei die Verzweiflung gegen eine verdammt dicke Wand aus Gitarrenriffs. Der Song unterstreicht hier noch einmal die Varianz der Band: Die Instrumente sind entweder ein harter Counterpart zum Gesang und schaukeln sich gegenseitig hoch oder stellen sich an die Seite des Sängers und bilden eine unfassbar tiefe Kraft, die sofort einen gewissen Zustand an Erregung auslöst.

Den Zahn der Zeit treffen BHS im Song „Überflüssig“: Niedriglohnarbeit, prekäre Beschäftigung, Ausbeutung und hohe Arbeitslosigkeit im Alter prägen Millionen Menschen nicht nur in Deutschland. In Zeiten der Gewinnmaximierung, der harten Sanktionen gegen Menschen, die nicht Arbeiten können und der generellen Angst, seinen Job zu verlieren, findet die Band zwar keine Lösung, gibt aber all jenen eine Stimme, die nicht gehört werden. Dabei gestaltet sie die Musik simpel und auf den Punkt. Verdammt ehrliche Lyrics zeichnen ein durchaus reales Bild der Menschen, die am Existenzminimum leben und durch fehlende Perspektiven kaum in der Lage sind, aus eigener Kraft herauszukommen. Lehnt man sich gegen Missstände auf, wird man einfach ersetzt. Man ist überflüssig.

Auf die neue Scheibe haben es auch einige alte Songs geschafft. Unter anderem sind „More than music“ und „schein/matt“ als Tracks vertreten. Ersterer ist eine ironische Hommage an die Hardcoreszene und bedient eigentlich jedes Klischee. Letzterer ist ein herrliches Feuerwerk der Instrumente, begeistert schon beim ersten Hören und ist wohl der abwechslungsreichste Song auf der Platte.

Blut Hirn Schranke überzeugt mit intelligenten Texten, der genau richtigen Mischung aus Aggression und Melancholie in der Stimme und phänomenal guten Instrumentals vom Intro bis zum letzten Track. In diesem Debüt liegt lange, harte Arbeit und das hört man auch. Glückwunsch zu diesem Release!