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Black Country, New Road und "For The First Time": Sturm und Dränger

Black Country, New Road gehören zu der Riege britischer junger Menschen, die Musik abseits bisheriger Konventionen schreiben oder diese neudenken. Mit ersten Veröffentlichungen konnte die Band sogar einen kleinen Hype generieren. Aber kann sie diesem mit ihrem Debütalbum auch standhalten?

Der Vergleich zu Bands wie Shame, Squid, King Krule oder Black Midi liegt auf der Hand. Alle sind sie jung, britisch und erfinden das, was man grob als Post-Punk labeln kann, neu. Mit Black Midi haben Black Country, New Road sogar schon gemeinsame Shows gespielt und waren zusammen auf einer Kompilation drauf. Der Vergleich liegt also nah. Auch stilistisch sind sich die beiden Gruppen ähnlich: Chaotisch, wild und kreativ.

„For The First Time“ ist aber vor allem auch eins: frei. Eine klassische Besetzung, konventionelle Songstrukturen oder Ähnliches haben die siebenköpfige Band schon längst überwunden. Man liest immer wieder von Musiker:innen, die in Interviews erzählen, dass Musik sowas wie ein Ventil für sie ist oder dass sie sich wirklich in ihrem neuen Album verwirklicht haben. Das Produkt ist eine verwaschene Mixtur aus allen Popschemata, um bloß nicht die Zuhörer:innen zu verlieren. Wie kann man sich denn selbst verwirklichen, wenn man sich dafür an alle möglichen Regeln hält und keine Risiken eingeht?

Das Debütalbum von Black Country, New Road umfasst zwar nur sechs Songs, diese strecken sich aber auf insgesamt 40 Minuten. Allerdings sollten Fans der Band vier der Tracks bereits bekannt sein. „Athens, France“, „Science Fair“, „Sunglasses“ und „Track X“ sind alle schon als Singles oder sonst wie veröffentlicht gewesen. Das ist zugegeben etwas schade, da das Album nun nur zwei neue Songs enthält. Der Opener ist, wie der Name erahnen lässt, auch obendrein „nur“ ein Instrumental-Stück. Immerhin sind einige Songs nochmal neu aufgenommen worden und haben so ein neues Feeling erhalten. Generell ist die Produktion durchweg hervorragend. Der Bass klingt fett, die neuen Drum-Parts bieten ein wunderbares Fundament, ohne sich jemals zu sehr zurückzunehmen. Aber grade an den bisher besten Track und das Herzstück des Albums muss man sich in seinem neuen Gewand gewöhnen. Bei „Sunglasses“ entschied Sänger Isaac Wood die Lyrics mehr zu singen als wie bisher zu sprechen. Dadurch fühlt man sich leider etwas weniger in seine Geschichte gezogen und dem Track fehlt etwas der Biss.

Das Ganze ist aber meckern auf höchstem Niveau. Jeder dieser sechs Songs ist einzigartig und man merkt, dass die Band aus einem Grund Musik macht: Um genau das zu schaffen, worauf sie Lust haben. „Opus“ ist eben genau auch dass – ein Opus. Auch die anderen Stücke schaffen es durch ihre Dynamik, ganze Geschichten zu erzählen. Die Mischung aus Gitarren, Synthesizer, Saxophon und Geige wirkt manchmal etwas chaotisch, aber nie desorientiert. So steht es wunderbar für die sieben jungen Musiker:innen der Band. Sie sind im wahrsten Sinne Stürmer und Dränger des Post-Punks.

Fazit

8.2
Wertung

Wahrscheinlich wollte die Band genau jetzt, wo der Hype groß ist, ihr Debütalbum veröffentlichen. Etwas mehr Zeit und damit ein bis zwei neue Tracks hätten die Platte sicherlich zu einem absoluten Meisterwerk gemacht. So bleibt es trotzdem noch ein sehr gutes Album und wer die „alten“ Songs noch nicht kennt, kann sich auf sechs individuell sehr starke Songs gefasst machen.

Niels Baumgarten
8.3
Wertung

Die Kreativszene um die ikonische „Windmill“ im Londoner Stadtteil Brixton hat in jüngster Zeit so einige Jung-Bands hervorgebracht, die dazu fähig waren, bisher unerforschte Pfade der Rockmusik zu erschließen. Black Country, New Road hört man den Musikhochschul-Hintergrund dabei etwas mehr an als es beispielsweise bei Black Midi der Fall ist, auf diesem fantastisch produzierten Debüt blühen sie jedoch förmlich auf.

Felix ten Thoren