Bent Knee und „You Know What They Mean“: Die Frage nach dem Wesen der Musik

Heutzutage wird Musik häufig nicht mehr bewusst gehört, sondern läuft als Gedudel im Hintergrund unseres Alltages ab. Dabei galt Musik bisher doch immer als Kunstform. Bent Knee schaffen mit ihrem neuen Release „You Know What They Mean“ endlich wieder eine Platte, die man nicht nur eben nebenbei auf der Autofahrt hören sollte.

Musik ist für Viele in unserer Gesellschaft nur noch Unterhaltung und gilt schon längst als Konsumgut mit einer gigantischen Industrie dahinter. Der Trend der letzten Jahre ist dabei klar: Wir kaufen keine CDs mehr, sondern streamen in einem Monatsabo bei Spotify und Co. Dort hören wir die Alben nicht mehr in ihrer Ganzheit, sondern zerstückeln sie und teilen sie auf Playlisten auf. Gerade im Mainstream und der Pop-Musik halten sich die Songs (im besten Falle) nur wenige Wochen in den angestrebten „Top 50 Global“, „Top 50 Viral“ oder wie die Charts auch heute heißen mögen. Übel kann man es aber kaum jemanden nehmen, wenn der Popsong dieser Woche nächste Woche schon niemanden interessiert. Die Produktionen der Tracks von heute sind häufig gradliniger als ein Lineal, die Songstrukturen kann man bereits im Vorfeld erahnen und die Lyrics sind fast so irrelevant wie Plastikverpackungen um Obst. Dass Musik aber viel mehr als kurzfristige Unterhaltung sein kann, beweisen wieder einmal die Artrocker von Bent Knee. Auf ihrem mittlerweile fünften Studioalbum malt die sechsköpfige Band mit einer bunten Farbpalette an Sounds und frischen Ideen ein stimmiges Bild.

Schon gleich zu Beginn können wir das Meisterwerk des Albums hören: „Bone Rage“. Ein Riff-getriebener Song, der mit instrumenteller Wucht überzeugt, welche sogar manch eine Muse-Komposition in den Schatten stellt! Aber auch Sängerin Courtney Swain zeigt, warum sie häufig als Ausnahmetalent gehandelt wird. So jongliert sie zwischen druckvollem Gesang und schrillen Dissonanzen, die dem Stück das kleine bisschen Extravaganz geben. Wen das noch nicht reicht, der wird spätestens von den abwechslungsreichen Drum-Rhythmen im Refrain überzeugt. „Bone Rage“ ist jetzt schon ein heißer Kandidat für den Top-Track des Jahres 2019. Dass Bent Knee aber auch eine ruhigere Seite haben, beweisen sie vor allem in der zweiten Hälfte der Platte mit Songs wie „Golden Hour“. Glücklicherweise verliert das Album dadurch aber nie seinen Druck, sondern beweist sich als kontinuierliches, einheitliches Gesamtwerk. Eine perfekte Mischung aus expressiven und atmosphärischen Parts sowie aus Prog-Rockigen und Souligen ist die bereits im Vorfeld erschienene Single „Hold Me In“.

Leider verliert die Band aber auf „You Know What They Mean“ etwas ihre Experimentierfreude der letzten Releases. Die Highlights sind eben genau diese kreativen Rhythmen, der Zerfall von traditionellen Einsatzbereichen der Instrumente und ein Chaos, das sich erst nach wiederholten Hören sortieren lässt und die erneuten Hördurchläufe spannend gestaltet. Auch wirkt die Platte in der zweiten Hälfte etwas monoton, aber es muss klar gesagt werden, dass dies Nörgeln auf hohem Niveau ist.

Am Ende bleibt eine Frage offen, die jede Person selbst beantworten muss: was ist Musik für dich und warum hörst du sie? Lauscht man den Klängen zur reinen Unterhaltung, wird man wahrscheinlich wenig mit Bent Knee anfangen können. Ist man aber auf der Suche nach Konzepten, die die Alltags-Musik-Grenzen sprengen und eine differenzierte Definition von Tonkunst geben, hat man hier ein großartiges Album gefunden!

Fazit

7.4
Wertung

Bent Knee überzeugen mit Musik, die zugegebenenmaßen etwas mutiger und experimentierfreudiger sein dürfte, aber dennoch erfrischend anders und stimmig ist.

Niels Baumgarten
6.6
Wertung

Im wilden Taktart-Geflexe macht Bent Knee nach wie vor kaum einer was vor und die Instrumentation ihrer Songs hat mittlerweile ebenfalls einen derartigen Wiedererkennungswert erreicht, dass "You Know What They Men" als absolutes Trademark-Stückwert dienen kann. Und genau hier liegt die Gefahr: Die Band droht auf einem trotzdem immer noch guten Werk, in einen Müßiggang auf dem Berg alter Glanztaten zu versinken. Ein Prog-Meisterwerk wie "Land Animal" fehlt auf dieser Platte.

Jakob Uhlig