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Animal Collective und „Time Skiffs“: Ambient für den Hai-Strand

Seit ihrem letzten richtigen Album sind fast sechs Jahre vergangen. Auf „Time Skiffs“ präsentieren sich Animal Collective nun als gereifte Gruppe. Die Musik ist organischer, die Weirdness ist geblieben. Aber war es die lange Pause wert?

Das collagierte Cover von „Time Skiffs“ fällt in der Diskographie von Animal Collective kaum auf. In den surrealen bis abstrakten Bildern spiegelt sich die Musik, die die vier Kindheitsfreunde fabrizieren, perfekt wieder: Man meint bekannte Muster zu erkennen, die dann doch wieder verfremdet und gebrochen werden. Dieser Post-Everything-Ansatz bleibt auch auf dem neuen Album bestehen – trotz der, besonders in der heutigen Musiklandschaft, langen Pause. Das letzte reguläre Studioalbum erschien 2016, dazwischen entstanden unter anderem Soundtracks, Soloprojekte und Kinder. Was haben also diese knapp sechs Jahre mit Animal Collective gemacht?

Ruhiger sind sie geworden, das merkt man schnell. Trotz aller Schrägheiten macht schon der Opener „Dragon Slayer“ eine Atmosphäre auf, die sich durch das ganze Album zieht. Die auf krumme Taktarten gestapelten Harmonien und die karibisch anmutenden Rhythmen versetzen einen beim Hören an einen Strand – von dem man aber weiß, dass dort das Meer haiverseucht ist.

Am deutlichsten klingt das in „Strung with Everything“ an, der die ersten 90 Sekunden lang eine Ambient-Szene konstruiert, um dann in einen Calypso zu kippen und schließlich in fast schon comichafter Häufigkeit ein beliebtes 60s-Pop-Stilmittel zu nutzen: Pause, Drumbreak, Harmoniegesang. Überhaupt flirtet „Time Skiffs“ viel mit Pop-Strukturen und besonders ein Song wie „Walker“ oder die erste Hälfte von „Cherokee“ würden im Radio nicht übermäßig auffallen.

All das ist auch dem organischen Klangbild zu verdanken, dass sich angenehm von der harsch-digitalen Art der letzten Alben unterscheidet. Leider sorgt das auch dafür, dass besonders die zweite Hälfte des Albums eher vor sich hin atmosphärheriert (passend dazu der Songtitel „Passer-by“) und das Aufmerksambleiben schwer fällt. Wie, wenn man nach einiger Zeit am Strand, mit Sonnenstich und Sand zwischen den Zehen, vergisst, dass da im Wasser immer noch die Haie lauern.

Fazit

6.6
Wertung

In den besten Momenten klingt „Time Skiffs“ wie ein dekonstruierter Beach-Boys-Song, in den schlechtesten eignet es sich immerhin noch als Hintergrundmusik zum Eincremen mit LSF 50. Animal Collective haben ein Sommeralbum für Menschen gemacht, die dem Sommer eher skeptisch gegenüber stehen.

Steffen Schindler