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The Anchor und „Make It Last“: A Woman To Remember

Der Begriff „female fronted“ ist beinahe so nichtssagend wie abwertend, reduziert er doch Bands allein auf das Geschlecht der Sängerin und lässt Genre und Fähigkeit außen vor. The Anchor nutzen es dennoch in ihrer Bandbeschreibung, da es leider immer noch etwas Besonderes ist, wenn eine Frau im Metalcore die Stimme erhebt.
The Anchor Make It Last Cover

Wer The Anchor nicht kennt wird nach dem Abklingen der ersten Noten von „September“ ein wenig überrascht sein. Gerade noch drangen brutale Screams durch die Anlage und plötzlich erklingt eine gut kontrollierte und saubere Frauenstimme. Beides wird von einer Person gesungen. Linzey Rae ist das Aushängeschild der fünfköpfigen Band und hat auf YouTube mit ihrer „Metal Kitchen“-Reihe ein wenig Bekanntheit aufgebaut. Darin sang sie Kochrezepte auf die Melodie bekannter Metal- und Hardcoresongs. 2016 veröffentlichte die Band aus Denver dann ihr Debütalbum und nun folgt die EP „Make It Last“.

Verpackt unter Screams, Growls und Gesang enthält die EP Songs über Selbstwert, Hoffnung und Liebe. Textlich persönlich und nahbar verfasst und mit viel Gefühl geschrien, schwankt die Band musikalisch zwischen Bands wie Atreyu und A Day To Remember. Immer wieder gibt es kleine Pop-Momente, die das Ganze auflockern und auf Konzerten wohl eher zum Tanzen als zum Moshen einladen. Gutes Beispiel dafür ist der Titeltrack „Make It Last“, welcher Linzey zwischendurch sehr viel Raum lässt und ihre Stimme sanft dominieren lässt. „Nola“ hingegen überzeugt mit mehrspurigem Gesang und an Überproduktion grenzendem Sound. Der Closer „Paradise Falls“ startet dann zerbrechlich und gefühlvoll, um im Songverlauf auch wieder ordentlich an den Reglern zu drehen. Doch das Grundgefühl bleibt fragil. Auch hier kann Linzey wieder zeigen, was sie stimmlich draufhat.

„Make It Last“ bietet mit fünf Songs einen guten Querschnitt der musikalischen Bandbreite der Gruppe und wirkt sehr durchdacht. Kein Lied wirkt fehlplatziert und alle Stücke beweisen Können in Songwriting und Produktion. Die EP erscheint so, als würde sie eine kleine Reise beschreiben. Sie beginnt hart und erhebt sich dann langsam in höhere Gefilde, nur um am Ende mit einer Ballade beendet zu werden.

Das es noch viel zu wenig Frauen im Bereich der harten Musik gibt, steht außer Frage. Der Szene würde es definitiv gut tun und Bands wie The Anchor zeigen wie es geht. Die Mischung aus Screams und dem weiblichen Gesang funktioniert sehr gut mit den harten und brutalen Melodien und wenn es ruhig und sanft wird, glänzt Linzey noch mehr. Auch wenn das Genre nicht neu erfunden wurde, macht „Make It Last“ vieles richtig und viel Spaß.

Fazit

6.8
Wertung

Auch wenn die Kochrezepte der Metal Kitchen für mich als Veganer wenig boten, habe ich Linzey schon immer gerne zugehört. Auf „Make It Last“ zeigt The Anchor was sie können und das ganze ohne Fleisch. Da nehme ich gerne Nachschlag.

Johannes Kley