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100Blumen und „Keine Namen - Keine Strukturen“: Mächtig viel Wut im Bauch

Man stelle sich vor, Atari Teenage Riot und Feine Sahne Fischfilet hätten ein Kind bekommen. So klingen 100Blumen mit ihrer Mischung aus Electro, Drum’n’Bass und Hardcorepunk. Das diese Stil-Mischung funktioniert, beweisen sie erneut auf ihrem neusten Album.

Drum’n’Bass und Punk zu paaren klingt merkwürdig. Die Düsseldorfer von 100Blumen machen das aber schon seit einige Jahren und beweisen, dass es gut klingen kann. Auf „Keine Namen - Keine Strukturen“ setzen sie ihren Sound fort und überzeugen mit Lärm, musikalischer Wut und effektiven Lyrics. Der Albumtitel, einfach gesagt das Mantra der autonomen Szene und Verhaltenskodex bei Demos, kommt nicht von ungefähr. Die Band ist eindeutig dem linken Spektrum zuzuordnen, was sich seit Jahren in Song- und Albumtiteln sowie den Texten widerspiegelt. Deutschlands aktuelle politische Situation gab also genug Material für Texte. Themen wie die Alternative für Deutschland und „Patrioten“ oder Gentrifizierung und Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt werden teils wütend, teils humoristisch vorgetragen. Untermalt wird das Ganze dann von hämmernden, scheppernden Drums, pumpenden Synthies und Gitarrenklängen. Der Sound ist teils brutal und wirkt wie ein kontrolliertes Chaos, was zu den Aussagen der Lyrics passt. Das Album klingt glaubhaft wütend.

Einen großen Teil des Albums könnte man als Soundtrack für die nächste Demo verwenden. Die Songs, auch die Instrumentalstücke, sind wütend, frustriert, roh und brutal. Der Frust über die Situation in der Welt ist spür- und hörbar. Doch auch persönliche Momente sind vertreten und lassen „Keine Namen - Keine Strukturen“ gleichermaßen politisch und menschlich erscheinen. Auch ruhige Momente wie „Die Forelle“ sind eher negativ beladen und regen zum Nachdenken an.

Streitbar ist sicherlich der Song „Drunkard feat. Pyro One“, erwähnt er doch Gewalt ohne Notwehrsituation gegen Nazis und selbsternannte Patrioten. Auch wenn das Lied ironisch gemeint ist und humorvoll geschrieben wurde, dürfte es der einen oder anderen Person übel aufstoßen. Zwar sind überspitzte und auch gewaltverherrlichende Songs gegen Nazis im Punk an der Tagesordnung und beliebt, doch das aktuelle politische Klima ist sehr angeheizt und empfindlich. Das Lied wird der Band also nicht nur Freunde einbringen, auch wenn das garantiert nicht das Ziel war.

Punk und elektronische Musik zu mischen ist keine neue Idee. Bands wie Egotronic machen das seit Jahren erfolgreich und doch haben 100Blumen eine freie Lücke gefunden und diese voll ausgefüllt. Politisch voll im Punk und doch tanzbar wie eine gute Drum’n’Bass-Party zum Beispiel. Wer Punkrock mag, aber auch gerne das Tanzbein schwingt und nicht nur Pogo tanzen will, sollte definitiv reinhören.

Fazit

7.2
Wertung

Ich mochte die Band schon vorher, weil sie politisch mein Fall und musikalisch interessant ist. Auf „Keine Namen - Keine Strukturen“ haben sie mich erneut davon überzeugt.

Johannes Kley