This Wild Life und „Petaluma“: Grenzen der Anatomie

Indie oder Major-Label? Stilistische Grundausrichtung oder „Frei Schnauze“? Jedem Namen haftet ein untrennbares Image an. This Wild Life zeigen indes, wie weit jene Stereotypen vom Endprodukt entfernt sein können.

Epitah Records ist eine Institution, bei welcher sich Irokesen wie von selbst aufstellen, über Nacht Löcher in den Jeans auftauchen und das Trommelfell zuweilen arg beansprucht wird. Vergangene Veröffentlichungen von Green Day bis Parkway Drive haben zudem das gute Gespür für talentierte Nachwuchskünstler unter Beweis gestellt. Dass gerade jenes Label mit This Wild Life zusammenarbeitet, mag deshalb überraschen.

Seit 2011 als akustisches Duo unterwegs, war es eine kluge Entscheidung, Stromgitarren und die Knechtschaft der Snare Drum anderen Künstlern zu überlassen. Äußerlich bedienen Kevin Jordan und Anthony del Grosso mit kolossalem Vollbart und Ganzkörperbemalung alle Rock-Klischees - äußerlich, wohlgemerkt. Fortwährend kreist die Frage, ob die Luft auf den höchsten Stufen der Tonleiter für das menschliche Stimmorgan nicht irgendwann zu dünn wird? Für „Hold You Here“ scheint es jedenfalls zu reichen und auch das benachbarte Wasserglas zerspringt nicht auf Anhieb. Glück gehabt!

Die Zusammenarbeit mit dem Produzenten der Lumineers ist unverkennbar und früchtetragend zugleich. „Headfirst“ auf der einen, doch besonders „Come Back Down“ auf der anderen Seite ebnen den Weg für locker-leichte Blechbläser und catchige Sing-A-Longs. Sollten sich Dorfkinder in lauen Sommernächten nicht auf ein Lagerfeuerlied einigen können, schafft „Positively Negative“ Abhilfe - zusammen mit „No Need for Novacaine“, eine der flotteren Nummern des neuen Albums, die sich unbekümmert an die kommenden Sommermonate anbiedert.

Lichtblicke auf klanglicher Ebene, Winterdepressionen im lyrischen Bereich - kann das gelingen? Unbedingt, wie „Westside“ zeigt. Der Song überbrückt beide Ufer, indem er sich mit den Konsequenzen sexuellen Missbrauchs beschäftigt und dabei unerhörte Eingängigkeit an den Tag legt. In „College Kids“ versetzen sich die Musiker in die Lage von hadernden Teenagern, inmitten brüchiger sozialer Bindungen. Betonung und Wortwahl sind einmal mehr weit über dem Durchschnitt, was bei dem achten bärenstarken Stück in Folge allerdings nicht weiter überrascht.

Man kauft „Petaluma“ die Leidenschaft und den persönlichen Werdegang beider Protagonisten in jeder Note ab. Dem akustischen Folk-Pop sind die vorliegenden 34 Minuten treu ergeben, Maß und Mitte sind die Prämisse für sämtliche Spielereien an Reglern, Saiten und Trommelstöcken. Im Hause Epitah dürften am 22.06.2018 die Sektkorken knallen; eine vielversprechende Kooperation, die aufgrund der durchweg starken Performance keiner weiteren Erklärung bedarf.

Fazit

8
Wertung

Geht es um meine persönlichen Neuentdeckungen, kämpft „Petaluma“ aussichtsreich und vehement um´s Edelmetall. Wie viel Pfeile 2018 wohl noch im Köcher bereithält?

Marco Kampe