Weekend und "Keiner ist gestorben": Der geheime Rap-Regent

Auch wenn es Künstler oft hassen, auf ihre Vergangenheit reduziert zu werden, so kommt man bei Christoph Wiegand alias Weekend nicht um seine Battlerap-Zeit herum. Er hat das Videobattleturnier gewonnen, zusätzlich die Splash-Edition, bei welcher der Sieger einen Gig auf dem gleichnamigen Festival gewinnt. Er ist ungeschlagen. Mit seinem Debüt „Am Wochenende Rapper“ hat er der Rap-Welt ein anderes Gesicht gezeigt, was er auf seiner neuen Platte „Keiner ist gestorben“ wieder tut - allerdings nicht, ohne einen Ausflug in die Vergangenheit zu wagen.

Allein die Vielfalt der Beats, auf denen Weekend rappt ist jedes Mal erstaunlich. Kein Wunder, schließlich hat der Rapper mit Peet und Maze One zwei der besten Beatproducer Deutschlands am Start und mit Rolf, aka DJ Upset immer einen herausragenden DJ dabei. Die Sounds aus dem Rap, sprich elektronische Beats, werden mit klassischen Soundelementen wie Vocal- oder Klaviersamples geplant. So entstehen verschiedenste Stimmungen, darunter auch ein entspannter Track wie „Sofa King“. Dieser beschreibt Weekend absolut perfekt. Selbstironie und so provozierend Anti-Gangster, dass man sich fragen könnte, warum so jemand Hip-Hop macht. Er steht für eine Seite des Deutschrap, die viel zu selten in Erscheinung tritt. Da wäre einerseits die zu Genüge auftretende und unfassbar niveaulose Gangsterrap-Szene, die einzig und allein auf Beleidigungen und bei manchen auch auf Technik beruht, Inhalt wird ergebnislos gesucht. Außerdem noch die emotionalen Deeper-Track-Rapper, die fast nur traurig können, und den Misch-Masch aus beidem. Achja, und dann ist da noch Cro. Aber das ist einfach nur Einheitsbrei aus deutschem Pop, den man Rap nennt und der Gangster ist, weil er eine Maske trägt. Gähn.

Aber wir haben ja eben Weekend, der es schafft seine, Normalität mit erfrischenden Absurditäten zu mixen. Zusammen mit Sorgenkind in der Hook bestreitet er den Song „Köpfe“. Eines zieht sich durch diesen wie schon durch das komplette Album. Nämlich, dass immer ein bisschen gebattled wird, immer wieder kleine Spitzen oder auch unterschwellige Provokationen gegen eine imaginäre Person zum Ausdruck kommen, allerdings nie unter der Gürtellinie. Hier schießt sich Sorgenkind in der Hook in den Kopf, da er dachte, dass dieser Dekoration sei, wie der Kopf seines Gegenübers. Sorgenkind war übrigens nicht nur wie Weekend Battlerapper, er ist auch Frontmann der Punkband Quarterback 40.

Weekend schafft es aber auch überaus ernst. Zusammen mit Edgar Wasser macht er einen Tack über Familien im Brennpunkt. Das soll keine Anspielung auf die gleichnamige RTL – Sendung sein, sondern auf junge kleinkriminelle, drogen- oder alkoholabhängige, die dann aus „Rache“ oder aus Frust ein Kind machen. „Kind machen“ wirkt so unrealistisch und weltfremd. So etwas findet man maximal im Fernsehen, aber praktizierende Streetworker, sprich Sozialarbeiter haben von solchen Fällen mehr als genug gesehen.

Absolutes Highlight: „Die Rede für den Preis den ich nie kriegen werde“. Auf einen dumpfen, Bass-lastigen Beat rappt Weekend harte Worte. Die Idee hinter dem Track ist ganz nett, die Durchführung fantastisch. In der Rede wird er politisch, was man von ihm so überhaupt nicht kennt. Zwar besitzen einige der Lines keine übermäßige Tiefe, auch dass er eine sehr ausfallende und beleidigende Wortwahl an den Tag legt, kann man ihm negativ auslegen. Allerdings könnte man es auch so sehen, dass er der der Musikszene einen Spiegel vorhält, die „Musikern“ wie Bushido einen der höchsten deutschen Musikpreise verleiht. Das Ganze gepaart mit der Aufforderung an AfD-Wähler, Patrioten und ähnliche Individuen: „Hört meine Mucke nicht.“ In seiner ganzen Message und mit dem Video, in dem Weekend auf die Bühne der Echoverleihung geschnitten wurde und seinen Song rappt. Dazwischen werden immer wieder die Gesichter von verschiedensten Prominenten, die auf Preisverleihungen im Publikum sitzen und erstaunte, angewiderte oder auch einfach nur fassungslose Gesichter machen gezeigt. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, einfach mal anschauen. Mit diesem Tsunami eines Rap-Songs endet dann auch das Album.

Weekend hält auf „Keiner ist gestorben“ eine gute Balance aus Spaß, Ernst und bloßem Battlerap. Bis heute ist sein Stil zu rappen unerreicht und wird es wohl noch auf lange Sicht bleiben.

Fazit

8.6
Wertung

Eines der besten Rap-Alben des Jahres und „Die Rede für den Preis den ich nie kriegen werde“ der beste Rap-Track des Jahres. Denn selbst in ernsteren Texten nimmt Weekend sich selbst nie heraus. Er macht Selbstironie zu seinem eigenen Stilmittel, sogar wenn er andere gerade fertigmacht. Das wird ihm in dieser Form so schnell niemand nachmachen.

Moritz Zelkowicz