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Thrice und „Palms“: Wir müssen reden

Die modernen Post-Hardcore-Pioniere stellen sich Ignoranz und Entfremdung – statt der Faust strecken sie ihren Gegnern nun die geöffnete Hand entgegen. Geschieht das zu Lasten ihrer Bissigkeit?

Wütend zu bleiben ist schwierig, erst recht als Band mit Veteranen-Status, die bereits seit 20 Jahren im Geschäft ist. Rise Against tauen alle paar Jahre ihre Veganismus-Parolen auf, was ihnen mal mehr, mal weniger gelingt. Eminem präsentierte sich mit „Kamikaze“ überraschend so pissig wie noch nie. Thrice wählen dagegen einen anderen Weg – sie ziehen den Schuh der humanistischen Missionare aus und suchen das Gespräch - „Palms“ ist das bis dato sanfteste Werk der US-Amerikaner. Über weite Strecken dominieren geradlinige Midtempo-Songs ohne große Überraschungen. Die politische Ambition von „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ und die damit verbundene musikalische Epik schraubt das Quartett nun zugunsten von reduzierten, teilweise meditativen Arrangements zurück.

Der Opener „Only Us“ ersetzt anfangs beispielsweise einfach ihre Gitarren mit 80er-Synthesizern, „Blood On Blood“ baut auf einfachen Akustik-Gitarren-Stakkatos auf, „My Soul“ präsentiert sich angenehm roh und unperfekt und „Everything Belongs“ bringt Thrices neue Attitüde mit Klavier und dick aufgetragenem Kitsch á la Imagine Dragons oder Mumford & Sons auf die Spitze. Mit der musikalischen Geradlinigkeit erschließt sich die Band gewiss eine neue Hörerschaft – vielleicht sogar eine, die sie noch von ihren Werten überzeugen können. Und auch, wenn sie ihre alte Anhängerschaft in „The Grey“ und „A Branch In The River“ mit der klassischen Post-Hardcore-Energie, die sie einst ausgezeichnet hat, befriedigen wollen, landet das Album so etwas zwischen den Stühlen. Glücklicherweise gelingt es ihnen dennoch, die Thrice-Atmosphäre auch in ihre introvertierten Songs zu transportieren, was nicht zuletzt an der unverkennbaren Stimme Dustin Kensrues liegt.

Fazit

6
Wertung

Das Bild der offenen Hand propagieren Thrice nicht nur in ihrem Albumtitel, sondern auch musikalisch. Ihre Idee, das Gespräch zu suchen, verdient Respekt - mit weniger Gitarrenepik schwindet allerdings auch das, was die Band bis zu diesem Album so groß gemacht hat.

Julius Krämer