Spanish Love Songs und „Schmaltz“: Resignierender oder hoffnungsvoller Punkrock?

Langsam wird es gruselig! Die Trefferquote für gute Bands ist verdammt hoch! Spanish Love Songs gehören eindeutig dazu, denn auf ihrem neuen Album „Schmaltz“ zelebrieren sie hymnenhaften Punkrock am Zahn der Zeit.

Das Intro „Nuevo“ macht gleich mal richtig Spaß. Mit Begleitung von seichter E-Gitarre und Hammond-Orgel oder Keyboard, wird über die Vergänglichkeit der Zeit und das Festsitzen sinniert, bis man übergangslos in „Sequels, Remakes and Adaptions“ übergeht. Der Text über die eigene Versagensangst und dass man Anforderungen und Erwartungen nicht gerecht wird, würde sofort schwer unter die Haut gehen und das ein oder andere Tränchen hervorrufen - macht er im Nachhinein vielleicht auch -  aber erst einmal wird man damit beschäftigt sein abzugehen, zu tanzen, zu headbangen, zu moshen, sich einfach zu bewegen. Rhythmus und Musik fordern schlichtweg dazu auf. Das ist auch der große rote Faden der Platte. Es kommt einem so vor, als wäre dieses Album dafür geschrieben, um es live durchzuspielen.

Klar darf auch ein politisches Statement nicht fehlen. In „The Boy Considers His Haircut“ schrauben Spanish Love Songs das Tempo nochmal ordentlich nach oben. Textlich ist es ein Streifzug durch die amerikanische Gesellschaft, in der gesetzliche Krankenversicherungen teilweise als kommunistisch abgetan werden. Im genannten Song brüllt Sänger Dylan Slocum eben dieser Gesellschaft einen Satz voll Wut und Inbrunst entgegen: I want to find a haircut that fits me that hasn’t been co-opted by Nazis.“ Wer beim ersten Durchhören über diesen Satz stolpert und die Wut vermisst, dem sei geraten, auf die Wiederholung kurz danach zu warten. Ein kleiner Gänsehautmoment.

Für „Beer & Nyquil (Hold it Together)“ musste Google erstmal herhalten. Was zur Hölle ist denn Nyquil? Der erste Lachanfall ließ bei der Recherche nicht lange auf sich warten: Erkältungssirup mit Alkohol. Wie hieß das noch gleich bei „Two And A Half Men“? Der betrunkene Hulk! Mit diesem Song wird schnell der zweite roten Faden erkennbar, ein Thema, das die Band auf dem Album ausführt wie kein anderes: das Gefühl, in eine Gesellschaft geworfen zu werden, der man sich selbst nicht zugehörig fühlt. Das Changieren in weinerliches Selbstmitleid ist da immer ein sehr großes Risiko, das Spanish Love Songs aber bravourös umgehen. Hier stellt sich mehr eine Mischung aus Mitleid und Betroffenheit ein, da die Songs auf sehr realistische Weise tief in die Materie gehen, sodass man sich selbst leicht darin wiederfinden kann.

Wie auf beinahe allen Punkplatten darf ein ruhiger Song, oder gar eine Ballade, natürlich nicht fehlen. „Aloha To No One“ heißt das gute Stück, welches nur mit akustischer Gitarre begleitet wird. Auch hier geht der Text unter die Haut: psychischer und körperlicher Verschleiß. Besonders die psychische Belastung, irgendwo zwischen Burnout und Depression, vermögen es aufzuwühlen. Das ist ganz große textliche Klasse.

Und dann ist die Platte auch schon zu Ende und es bleibt nur zu sagen: Bravo, Spanish Love Songs! Schmaltz langweilt zu keinem Zeitpunkt, läuft nicht nebenher, vielmehr drängen sich die Texte in den Vordergrund. Und entweder man tanzt dazu ab und rockt, oder aber man lässt sich von den Texten treiben. Oder man macht beides. Nacheinander. Gleichzeitig lässt die Platte kaum zu.

Fazit

8.1
Wertung

Das Debüt konnte mich so gar nicht überzeugen, „Schmaltz“ hingegen traf mich unverhofft wie eine Kanonenkugel: Eine so gute Textarbeit, das Erzeugen einer so unvergleichlichen Stimmung und dann dieser frische Ansatz, rechten Müll als solchen wahrzunehmen und zu kritisieren. Ich komm' aus dem Schwärmen nicht mehr heraus.

Moritz Zelkowicz